Die Neue Universität zu Köln. Ihre Geschichte seit 1919 Von Habbo Knoch, Ralph Jessen und Hans-Peter Ullmann

Historische Jubiläen sind eine Erfindung der Universitäten. Seit im Jahr 1578 die Universität Tübingen die einhundertjährige Wiederkehr ihrer Gründung feierlich beging, haben historische Jubiläen zunehmend unsere Gesellschaft geprägt. Sowohl in Universitäten als auch in allen anderen Institutionen gehören sie zu den besonderen Ereignissen, die man nicht nur gebührend feiert, sondern an die auch langfristig erinnert werden soll. Die Festschrift ist in Universitäten spätestens seit dem monumentalen Werk von Max Lenz zum 100. Jubiläum der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ein solches Instrument der Erinnerung, das zu einem solchen Anlass keinesfalls fehlen darf. Das Muster der Berliner Festschrift von 1910 hat bis in die heutige Zeit hinein viele Nachahmungen gefunden, aber auch viele Versuche, ganz andere Formen zu finden. Einen solchen Versuch stellt die hier vorzustellende Festschrift der Universität zu Köln anlässlich ihrer 100-Jahr-Feier im Jahre 2019 dar.  

Herausgeber der knapp 300 Seiten starken Festschrift sind die drei Geschichtsprofessoren Habbo Knoch, Ralph Jessen und Hans-Peter Ullmann von der Abteilung für neuere Geschichte des Kölner Historischen Instituts, die 2016 ein Forschungsprojekt zur Geschichte der 1919 gegründeten neuen Kölner Universität ins Leben riefen. Das Ziel war die hier vorzustellende Festschrift. In zahlreichen Workshops und gemeinsam mit einem Beirat aus Vertretern aller Fakultäten haben sie das Konzept erstellt und verschiedene einzelne Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht. Geschrieben haben sie die Festschrift freilich nicht. Anders als in den meisten Festschriften, die in den letzten Jahren von Universitäten wie Berlin, Leipzig, Jena, Freiburg oder Bonn herausgebracht worden sind, wurden nicht Professorinnen und Professoren der eigenen Hochschule dazu animiert, die Autorschaft für einzelne Kapitel zu übernehmen, sondern die Abfassung des Textes wurde der Kölner Geschichtsagentur Reder, Roeseling & Prüfer übertragen. Der eigentliche Autor des Buches ist also der promovierte Historiker Thomas Prüfer. Das erfährt man allerdings erst durch das Impressum, das anders als sonst bei Büchern üblich nicht am Anfang des Buches steht, sondern auf der letzten Seite. Das ist typisch für dieses Buch, bei dem vieles anders ist als man das von anderen Universitäts-Festschriften her gewohnt ist.  

Das Grundgerüst des Buches ist chronologisch. Die hundert Jahre der bisher vergangenen Kölner Universitätsgeschichte werden in acht Kapitel eingeteilt, die – nach Jahren unterteilt – plakative Überschriften tragen: Gründerzeiten (1901-1919), Eine neue Universität (1919-1933), Ausgrenzung und Anpassung (1933-1945), Universität der Ordinarien (1945-1960), Die große Transformation (1960-1975), Den Mangel gestalten (1975-1990), Neuorientierung (1990-2007) sowie Exzellenzuniversität (2007-2019). Die Grundidee des Konzepts ist es, die Universität „vor allem als Organisation“ (S. 265) zu betrachten. Es geht also „immer wieder um Basisprozesse wie die grundlegenden Ordnungen und politischen Vorgaben, um Fragen der Finanzierung, Lehrkapazitäten und baulichen Entwicklungen, um Debatten über das Selbstverständnis oder die Sozialstruktur von Lehrenden und Studierenden.“ (S. 265) 

Man könnte sich das nun so vorstellen, dass jedes Kapitel einen hochkomplexen Fließtext von gut dreißig Seiten zugeteilt bekommt, in denen der Autor in typisch akademischer Erzähltradition den Gang der Geschichte vor uns ausbreitet. Aber das ist nicht so. Nur den Anfang eines jeden Artikels bildet ein fortlaufender Text, der außer in den ersten beiden und im letzten Kapitel ca. 6-8 Seiten umfasst. Aber auch diese Essays sind mit großformatigen Bildern durchsetzt, die dem Band viel Atmosphärisches mitgeben. Die folgenden Unterkapitel mit ihren sprechenden Titeln (z.B. „Eine neue Universität mit Traditionsbewusstsein“, „Wiedereröffnung mit Hindernissen“ oder „Studieren im Wandel“) sind meist nur eine Doppelseite lang, auf der kleinere eingestreute Bilder den Text auflockern. Dann folgen weitere Texte, die aber oft nur die Kombination einer Textseite und einer Bildseite umfassen. Sie sind in Kategorien unterteilt, etwa „Objekte“ oder „Bauten“. Daneben treten Doppelseiten mit der Bezeichnung „Biographien“, auf denen zwei Spalten pro Seite Universitätsangehörige aus dem jeweiligen Zeitabschnitt in Text und Bild präsentieren, darunter Studierende, Mittelbauer, Privatdozenten, Professorinnen oder Professoren. Die Anordnung der einzelnen Elemente wie „Objekte“ oder „Bauten“ folgt keinem wiederkehrenden Schema. So bekommt der ganze Band den Charakter eines Lesebuches oder auch eines Ausstellungskatalogs, wo nur die chronologische Einordnung ein loses Band zwischen den kurzen Texten herstellt. Auch ein Zeitstrahl zu Beginn des Kapitels, wo die herausragenden Ereignisse der jeweiligen Jahre graphisch aufgeführt sind, erinnert an einen Ausstellungskatalog.  

Der ganze Band ist durchsetzt von Seiten, die einen Hintergrund in grauen oder grünen Pastelltönen haben. Vielfach sind auch die Bilder, überwiegend schwarz/weiß-Aufnahmen, ganzseitig bis zum Rand hochgezogen. Das gibt dem Buch ein sehr lebendiges Aussehen. Es entspricht nicht den üblichen Lesegewohnheiten, aber wenn man sich einmal auf die Darstellungsform eingelassen hat, macht es Spaß, in diesem abwechslungsreichen Bildband zu blättern. Weil die einzelnen Themen durch die Kürze der Texte und die Bildaussagen nur schlaglichtartig aufscheinen, gibt es eine so große Fülle der Anregungen, dass sich die Inhalte gar nicht mit wenigen Sätzen bündeln lassen. So sehen es auch die Herausgeber, die davon ausgehen, dass trotz ihres Buches, das „frühere Vorarbeiten und neu gewonnene Erkenntnisse zusammenführt“ (S. 264), eine umfassende Geschichte der Neuen Universität zu Köln noch aussteht. Wenn das so ist, dann ist der jetzt vorgelegte Jubiläumsband ein gelungener Schritt in diese Richtung.

Habbo Knoch, Ralph Jessen, Hans-Peter Ullmann (Hg.): Die neue Universität zu Köln. Ihre Geschichte seit 1919, Böhlau Wien/Köln/Weimar 2019, 296 S., 20,00 €, ISBN 978-3-412-51554-6

 

Zitierweise:
Becker, Thomas: Rezension zu Die neue Universität zu Köln. Ihre Geschichte seit 1919“, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 08.11.2022, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2022/11/rezension-universitaet-koeln-jubilaeum-becker

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