Das StiftsMuseum Xanten Archiv, historische Bibliothek und Museum

StiftsMuseum Xanten, Raum 6: liturgische Objekte, Fotograf: Stephan Kube, © StiftsMuseum Xanten.

Unter dem Namen StiftsMuseum Xanten vereinen sich sowohl die Museumsbestände als auch die Bestände von StiftsArchiv und StiftsBibliothek.[1] Ursprung dieser Sammlungen in Xanten ist das Viktorstift, das über tausend Jahre bis zu seiner Aufhebung 1802 existierte. Während dieser Zeit entstanden Objekte der Liturgie und Kirchenausstattung, Handschriften, Druckwerke sowie Amts- und Geschäftsbücher zur Stiftsverwaltung und zum Dombau. Diese Bestände bieten umfangreiche Forschungs- und Vermittlungsmöglichkeiten für die Fachbereiche Geschichte, Kunstgeschichte, Theologie, Archäologie und historische Grundwissenschaften. Anhand der vielfältigen Objekte können die Erfahrung von Funktionsräumen und das Erkennen von Nutzungsgeschichten im historischen Kontext in Lehre und Forschung eingebunden werden.

Das Museum mit Archiv, Bibliothek und Restaurierungswerkstatt befindet sich in den Gebäuden des ehemaligen Kanonikerstifts. Diese historischen Gebäude bilden in der noch heute ablesbaren Immunität[2] ein markantes Bauensemble aus Kapitelsaal, Stiftsschule und Kreuzgang, das architektonisch mit dem Xantener Dom verbunden ist.

Xantener Dom St. Viktor, Fotograf: Michael Saint-Mont, © Kath. Propsteigemeinde St. Viktor Xanten.

Ausgehend von der Legende des heiligen Viktor und seiner Verehrung als Märtyrer gab es seit dem Ende des 4. Jahrhunderts Gedenkstätten an dem Ort, wo sich heutzutage der Xantener Dom befindet. Im spätgotischen Hochaltar des Domes steht der Schrein des heiligen Viktor aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. In den Seitenschiffen haben sich zahlreiche spätmittelalterliche Altarretabel erhalten, die von Werkstätten in den Niederlanden sowie in Kleve, Kalkar und Wesel geschaffen wurden.[3] Zu den vertretenen Künstlern gehören zum Beispiel Henrik van Holt, Dries Holthuys, Arnt van Tricht, Jan Baegert, Barthel Bruyn und Henrik Douwerman, der den Marienaltar mit dem holzsichtigen Aufbau und beeindruckend geschnitzter Wurzel Jesse in der Predella entwarf.

StiftsMuseum Xanten, Turmmonstranz, um 1370/80, Fotograf: Stephan Kube, © StiftsMuseum Xanten.

Auch heutzutage bildet der Lettner (1401 geweiht) die Schranke zum Hochchor, in dem sich das Chorgestühl (1228) befindet. Darüber hängen die ursprünglichen Wandteppiche (1520) aus einer Brüsseler Werkstatt. Anhand der gotischen Skulpturen, die an den Pfeilern vom Chor bis zum Westbau angebracht sind, lassen sich Entwicklungsstufen erkennen, die auf europäische Einflüsse hinweisen. Ebenso lässt sich anhand dieser Entwicklungsstufen die lange Bauzeit des gotischen Domes von 1263 bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts nachvollziehen.

Die im StiftsMuseum ausgestellten Objekte waren Teil der Kirchenausstattung sowie der liturgischen Handlungen. Diese Objekte gliedern sich in die Bereiche Paramente (12.–19. Jh.), Kunstgewerbe (6.–16. Jh., vor allem liturgische Geräte und Reliquiare), Skulpturen (14.–16. Jh.), Handschriften (12.–16. Jh.), Druckwerke (15.–18. Jh.) und die in den letzten Jahren entstandene Sammlung der Graphik (16.–19. Jh.). Einige Objekte von internationalem Rang sind hier abgebildet. So gehört die hier abgebildete Turmmonstranz mit Emailschmuck (um 1370/80) zu den Highlights der Goldschmiedewerke. Den Ortsbezug der Objekte bezeugt zum Beispiel der Kleine Viktorschrein (um 1150), der heutzutage noch bei Prozessionen zum Viktorfest im Oktober mitgeführt wird.

StiftsMuseum Xanten, Kreuzfußreliquiar, sog. Kleiner Viktorschrein, um 1150, Fotograf: Stephan Kube, © StiftsMuseum Xanten.

StiftsMuseum Xanten, Almosentasche, um 1340/50, Fotograf: Stephan Kube, © StiftsMuseum Xanten.

StiftsMuseum Xanten, Pyxis, Anfang 6. Jh., Fotograf: Stephan Kube, © StiftsMuseum Xanten.

 

 

 

StiftsMuseum Xanten, byzantinischer Löwenstoff, 12. Jh., Fotograf: Stephan Kube, © StiftsMuseum Xanten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Paramente des 12. bis 19. Jahrhunderts bilden den größten und bedeutendsten Bestand. Für die Erforschung von liturgischen, theologischen, kunstgeschichtlichen und historischen Entwicklungen in der Paramentik bieten diese Bestände umfangreiche Möglichkeiten. Von der Kasel aus byzantinischem Seidenstoff (12. Jh.) über gotische Kapellen mit Kölner Borten zieht sich die Chronologie der Paramente bis hin zu den barocken Textilien und jenen des 19. Jahrhunderts. Als besonderes Reliquiar fungierte die Almosentasche (Frankreich, 1340/50), die auf goldenem Leinengrund musizierende Figuren mit Reliefunterpolsterung zeigt.

Den zweiten großen Bestand stellt die graphische Sammlung mit Blättern aus dem 16. bis 19. Jahrhundert dar. Die graphische Sammlung bettet die Stiftsgeschichte in den Kontext der Landesgeschichte ein. In diesem Zusammenhang dienen Porträts, historische Darstellungen, Stadtansichten oder auch Landkarten als Illustrationen der Geschichte. Themen sind zum Beispiel die Einflüsse der Klever Herzöge, der Erzbischöfe von Köln und der Kurfürsten von Brandenburg als Landesherren auf das Stift und die Stadt Xanten.

StiftsMuseum Xanten, Radierung von Jacques Callot, Das Aufhängen (La Pendaison), 1632/33, Fotograf: Stephan Kube, © StiftsMuseum Xanten.

Unter anderem gehören zu den graphischen Beständen auch Darstellungen von Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges oder der napoleonischen Zeit am Niederrhein. Vertreten sind bedeutende Stecher oder Radierer wie Albrecht Dürer, Heinrich Aldegrever, Stephano della Bella, Jacques Callot, Robert Nanteuil, Nicholas Cochin oder Hans Ulrich Franck. Die Techniken reichen von Holzschnitt, Radierung, Kupferstich bis hin zu Aquatinta, Mezzotinto, Holzstich und Lithografie.

In der Ausstellung des Museums nimmt die Kirchenbaugeschichte in Xanten eine besondere Rolle ein. Vorgängerbauten des heutigen Domes lassen sich durch archäologische Funde und Archivalien bereits für die karolingische Zeit nachweisen. Aufgrund der umfangreichen Quellenlage lässt sich der Bau der gotischen Stiftskirche besonders detailliert nachvollziehen. Es haben sich unter anderem zahlreiche Rechnungsbücher und Baumeisterverträge erhalten. Diese und weitere schriftliche Zeugnisse der Stiftsgeschichte werden im StiftsArchiv Xanten aufbewahrt.[4]

StiftsMuseum Xanten, Objektlagerung im StiftsArchiv, Fotograf: Armin Fischer © StiftsMuseum Xanten.

In den Quellen finden sich Überlieferungen zur Kirchengeschichte sowie zu politischen, sozialgeschichtlichen, kirchengeschichtlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen am Niederrhein und darüber hinaus. Den größten Teil nehmen die Akten und über 5000 Urkunden ein, die den Stiftsbetrieb und die Verwaltung des ausgedehnten Grundbesitzes seit dem 12. Jahrhundert dokumentieren. Zugleich belegen sie die Verbindungen der Stiftsherren zu bedeutenden politischen und kirchlichen Persönlichkeiten verschiedener Epochen. Einblicke in die mittelalterlichen Abläufe des Stifts geben unter anderem Statuten und Protokolle. Wichtige Sammelhandschriften, die Auskunft über die Abläufe im Kirchenjahr geben, sind der Liber ruber (Ende 13.–1. Hälfte 15. Jh.) und der Liber albus (Ende 12.–15. u. 17. Jh.). Abgesehen von inhaltlichen Aspekten lässt sich der Archivbestand auch explizit von Seiten der Sphragistik, Kodikologie oder Paläographie untersuchen. Einen zweiten großen Bereich bilden die Bestände zum Archidiakonat und der Propstei Xanten. Die liturgischen und weltlichen Handschriften des Stifts sind oftmals mit Initialen, Randleisten und Darstellungen geschmückt.

StiftsMuseum Xanten, Blick in die StiftsBibliothek, Fotograf: Armin Fischer © StiftsMuseum Xanten.

Die Druckschriften des 15. bis 18. Jahrhunderts gehören zu den Beständen der StiftsBibliothek.[5] Die Bibliothek befindet sich auch heutzutage in dem ursprünglich dafür erbauten Raum des 16. Jahrhunderts. Der Bestand umfasst 15.000 Druckwerke; davon 450 Inkunabeln. Diesen immensen Umfang erreichte die Bibliothek als im Zuge der Säkularisation die Bestände umliegender Klosterbibliotheken nach Xanten transportiert wurden. Einige Einbände weisen kunstvolle Prägungen auf und bieten aufgrund ihrer Besitzeinträge interessante Forschungsansätze zu Provenienz und Zirkulation der Bücher. Zu den Beständen gehören zum Beispiel eine Ausgabe der Schedelschen Weltchronik von 1493, eine Cautio criminalis von 1632 und zahlreiche Ausgaben des Erasmus von Rotterdam.

StiftsBibliothek Xanten, Justinian: Institutiones Imperalis, 1503, Fotograf: Helge Boele, © StiftsMuseum Xanten.

Den größten Teil des Bestandes bilden die theologischen Bücher. Es gibt unter anderem Ausgaben der Werke von Bernhard von Clairvaux oder Thomas von Kempen sowie liturgische Bücher, über 130 Bibeln oder diverse Ausgaben der Legenda Aurea. Andere Bereiche sind Medizin, Philosophie, Zivilrecht, Rhetorik und Philologie, Geschichte, Politik, Pharmazie, Botanik und Alchemie. Diese umfassenden Bestände geben Zeugnis über die kirchlichen und weltlichen Interessensgebiete der Stiftsherren und der umliegenden Klostergemeinschaften. In Bereichen wie Anthropologie, römische Antike oder Recht waren Kanoniker aus Xanten auch selbst schriftstellerisch und wissenschaftlich tätig.

Für verschiedene Disziplinen bieten die Bestände in Museum, Archiv und Bibliothek ein großes Potenzial und stehen für die weitere Erforschung und Auswertung zur Verfügung. Außerdem ergeben sich vielfältige Themen für Seminar- und Abschlussarbeiten. Universitäre Module zum Mittelalter und der Frühen Neuzeit können im StiftsMuseum und im Dom abgedeckt werden. Mit der Präsenzbibliothek und dem Lesesaal bietet das StiftsMuseum die passenden Rahmenbedingungen für die Forschung.

von Hannah Metzner

Weitere Informationen gibt es unter: https://www.stiftsmuseum-xanten.de/forschung

Ansprechpartnerin: Hannah Metzner M.A., metzner[at]bistum-muenster.de


[1] Zu den Sammlungen des StiftsMuseums, StiftsArchivs und der StiftsBibliothek vgl. Grote, Udo, Der Schatz von St. Viktor. Mittelalterliche Kostbarkeiten aus dem Xantener Dom, Regensburg 1998; Grote, Udo/Maas, Elisabeth, Auswahlkatalog StiftsMuseum Xanten, Xanten 2010.

[2] Der Begriff Immunität bezeichnet den Xantener Stiftsbezirk mit seinem Sonderrechtsstatus. Seit dem Mittelalter konnte dieser Status einer Person oder einem bestimmten Bezirk vom König, vom Erzbischof oder vom Papst verliehen werden. Damit verbunden waren die Privilegien der Abgaben- und Steuerfreiheit sowie eine gewisse gerichtliche Eigenständigkeit. Dem Xantener Stift wurde der Status der Immunität Ende des 9. oder Anfang des 10. Jahrhunderts verliehen. Dieser grobe Zeitraum kann nur vermutet werden, da bei einem Brand 1109 alle Schriftstücke vernichtet wurden. 1154 bestätigte der Papst in einer Urkunde alle alten Rechte und Privilegien. Mit der Auflösung des Viktor-Stifts im Jahr 1802 verlor der Xantener Stiftsbezirk seinen Immunitätsstatus.

[3] Vgl. hierzu Hilger, Hans-Peter, Der Dom zu Xanten und seine Kunstschätze. Mit neuen Beiträgen zu Domschatz, Archiv und Bibliothek von Udo Grote (Die Blauen Bücher), Königstein i.T. 2007; Karrenbrock, Reinhard/Kempkens, Holger, St. Viktor zu Xanten, Xanten 2002.

[4] Zu den Urkunden vgl. Weiler, Peter (Bearb.), Urkundenbuch des Stiftes Xanten, Erster Band (vor 590) – 1359, (Veröffentlichungen des Vereins zur Erhaltung des Xantener Domes e.V. ; Bd. II), Bonn 1935; Wilkes, Carl (Bearb.), Inventar der Urkunden des StiftsArchivs Xanten (1119 – 1449), Erster Band, (Inventare nichtstaatlicher Archive ; 2), Köln 1952; Kastner, Dieter, Die Urkunden des Stiftsarchivs Xanten, Regesten, Bd. II: 1450 – 1490, (Inventare nichtstaatlicher Archive ; 48), Bonn 2006; Kastner, Dieter, Die Urkunden des Stiftsarchivs Xanten, Regesten, Bd. III: 1491 – 1541, (Inventare nichtstaatlicher Archive ; 49), Bonn 2007; Kastner, Dieter, Die Urkunden des Stiftsarchivs Xanten, Regesten, Bd. IV: 1542 – 1609, (Inventare nichtstaatlicher Archive ; 53), Bonn 2013; Kastner, Dieter, Die Urkunden des Stiftsarchivs Xanten, Regesten, Bd. V: 1610 – 1804, (Inventare nichtstaatlicher Archive ; 54), Bonn 2014. Zu den Handschriften vgl. Gattermann, Günter (Hrsg.)/Finger, Heinz/Riethmüller, Marianne (Bearb.), Handschriftencensus Rheinland (Schriften der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, 18), Wiesbaden 1993.

[5] Föhl, Hildegard/Benger, Anita, Katalog der Stiftsbibliothek Xanten (Die Kirche des hl. Viktor zu Xanten ; Bd. V), Kevelaer 1986.

 

Zitierweise:
Metzner, Hannah: Das StiftsMuseum Xanten. Archiv, historische Bibliothek und Museum, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 17.05.2021, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2021/05/das-stiftsmuseum-xanten

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