Ein Grund zu feiern 100 Jahre Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (1925–2025)

Am 18. März 1925 versammelte sich in Bonn ein vergleichsweise kleiner Kreis von – zum Teil – hochrangigen Vertretern aus den Bereichen Kultur, Politik und Gesellschaft im ehemaligen Gebäude des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (IGL) in der Poppelsdorfer Allee 25.[1] Das noch junge Institut war erst fünf Jahre zuvor gegründet worden und avancierte in der Folgezeit zu einer der führenden Institutionen der deutschen Landesgeschichte.[2]

Einer der maßgeblichen Initiatoren des IGL, der Historiker und vormalige Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Aloys Schulte (1857–1941), war es auch, der im Namen eines vorbereitenden Ausschusses zur konstituierenden Sitzung einer neu zu gründenden, „möglichst alle Freunde rheinischer Heimatgeschichte umfassende[n] Vereinigung“ eingeladen hatte und der die über zwanzig anwesenden Personen begrüßte.[3] Sodann erläuterte der Spiritus rector des IGL, Hermann Aubin (1885–1969), die Zielsetzungen des neuen Vereins. Es wurde der Satzungsentwurf diskutiert, die Frage der Mitgliedsbeiträge erörtert, ein Vorstand gewählt – erster Vorsitzender wurde der Landeshauptmann der Rheinprovinz Johannes Horion (1876–1933) – und ein Haushaltsplan aufgestellt. Als Vereinszweck wurde, wie es in leichter Abwandlung auch noch in § 2 der heute gültigen Satzung heißt, „die Förderung der geschichtlichen Landeskunde der Rheinlande im Allgemeinen“ und des bis 2005 existierenden IGL im Besonderen definiert.[4] Damit konnte der Verein seine Arbeit aufnehmen.

Das erste Gebäude des Instituts für geschichtliche Landeskunde in Bonn, Poppelsdorfer Allee 25 (Foto: Jonas Bechtold, 2020)

Wenn wir nun einhundert Jahre später auf die Gründung zurückblicken, dann ist zunächst einmal aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive zu konstatieren, dass die Geschichte des Vereins schlechter erforscht ist als die Geschichte vergleichbarer Vereine, wie zum Beispiel des Historischen Vereins für den Niederrhein, den man mit guten Gründen als ,Schwesterverein‘ bezeichnen kann.[5] Nach wie vor grundlegend ist die aus den Akten erarbeitete Untersuchung von Marlene Nikolay-Panter, die erstmals 2001 in den Rheinischen Vierteljahrsblättern und als unveränderter Wiederabdruck 2007 publiziert wurde.[6] Die Ergebnisse Nikolay-Panters sollen im Rahmen der diesjährigen ,Jubiläumsherbsttagung‘ (29./30. September 2025) der Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte des Bonner Instituts für Geschichtswissenschaft und des Vereins für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande durch weitere Studien bereichert werden. Unter dem Titel „Der Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (1925–2025): Entstehung – Akteure – wissenschaftliches Profil“ soll nicht nur ein Rückblick auf die hundertjährige Vereinsgeschichte erfolgen, sondern zugleich auch ein perspektivischer Blick auf die Herausforderungen geworfen werden, vor die sich ein historischer Verein im 21. Jahrhundert gestellt sieht.

Zu den Hauptmerkmalen des Vereins zählt nach wie vor die enge Anbindung an die wissenschaftlich betriebene landesgeschichtliche Forschung an der Universität Bonn. Dies war von Beginn an ein Charakteristikum der Vereinsarbeit, der sich stets als Knotenpunkt, Multiplikator und wissenschaftlicher Orientierungsmaßstab für die vielen kleineren Geschichts- und Heimatvereine der Region verstand und auch heute noch versteht. Denn der Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in die breitere historisch interessierte Öffentlichkeit zählt ohne Zweifel zu den Kernkompetenzen und -aufgaben der heutigen Vereinsarbeit. Dass wir dies leisten können, verdanken wir den vielen Mitgliedern und Institutionen, die uns entweder ehrenamtlich und/oder finanziell (hier allen voran der Landschaftsverband Rheinland) unterstützen.

Als Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Forschung ist die Geschichte des Vereins zugleich ein Spiegel allgemeiner historiographischer Tendenzen, der wie unter einem Brennglas die Geschichte des Faches erkennbar werden lässt. Einige stichwortartige Hinweise mögen an dieser Stelle genügen: Das ausgeprägte Interesse an Interdisziplinarität; das Bemühen, im Sinne einer ,Third Mission‘ (neben den Bereichen Forschung und Lehre) wissenschaftliche Ergebnisse durch Publikationen, Exkursionen, Vortragsveranstaltungen, Führungen, Tagungen u.v.m. öffentlichkeitswirksam zu präsentieren; darüber hinaus die Frage des Bruchs, den die NS-Zeit vielerorts nicht nur personell und institutionell, sondern auch in fachlich-inhaltlicher Hinsicht mit sich brachte; die Neukonturierungen in der frühen Bundesrepublik sowie in den Umbrüchen der 1960er- und 1970er-Jahre; die fortgesetzten methodischen Debatten um das Wesen landesgeschichtlicher Forschung; und nicht zuletzt die Herausforderungen, die sich einem Geschichtsverein in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und politischer Polarisierung stellen.

Hundert Jahre nach seiner Gründung möchte der Verein für geschichtliche Landeskunde, auf die Anforderungen, die aus den politischen, generationellen und medialen Wandlungen unserer Gegenwart resultieren, mit lebendigen und zukunftsfähigen Antworten reagieren. Hierzu zählen – neben den ,klassischen‘ Säulen unserer Vereinsarbeit – unter anderem eine verstärkte Präsenz in den sozialen Medien, die Gestaltung einer aussagekräftigen Website sowie Kooperationen mit dem Blog „Histrhen“. Damit erreichen wir auch potenziell Interessierte, gerade der jüngeren Generation, die sonst vermutlich nicht auf unsere Arbeit aufmerksam würden. Gleichwohl bleibt der Verein ein Verbund von Menschen, die ihr gemeinsames Interesse an der geschichtlichen Landeskunde der Rheinlande vor allem im Rahmen von persönlichen Treffen und Veranstaltungen zum Ausdruck bringen. Das war im Verlauf des nun hundertjährigen Bestehens stets eine Stärke des Vereins, und so soll es auch bleiben!

 


[1] Vgl. Jochen Hermel, „Das Haus Nr. 25 steht im Weg“. Das Institutsgebäude an der Poppelsdorfer Allee als Symbol des Widerstands der Bonner Bürgerschaft, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 08.10.2020, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2020/10/igl1920buergerbegehren/.

[2] Zur Geschichte des IGL sind grundlegend: Manfred Groten/Andreas Rutz (Hrsg.), Rheinische Landesgeschichte an der Universität Bonn. Traditionen – Entwicklungen – Perspektiven, Göttingen 2007, sowie die Beiträge „Rheinische Landeskunde im Wandel. 100 Jahre Gründung des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (1920–2020)“, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 87 (2023), S. 43–187. Vgl. darüber hinaus auch die digitale Ausstellung „Region als gemeinsame Aufgabe. 100 Jahre Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande“, https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/landeskunde-bonn-100/ [letzter Zugriff: 16.02.2025].

[3] Vgl. Marlene Nikolay-Panter, Der Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Gründung und frühe Jahre, Wiederabdruck in: Groten/Rutz (Hrsg.), Rheinische Landesgeschichte, S. 129–156, hier S. 129–132; das Zitat entstammt dem Aufruf zur Gründung des Vereins für geschichtliche Landeskunde [1924], abgedruckt in: ebd., S. 154–156, hier S. 155.

[4] Die heutige Vereinssatzung findet sich unter: https://vglr.hypotheses.org/files/2022/06/Satzung-2021.pdf [letzter Zugriff: 16.02.2025]; zur Satzung von 1925 vgl. Nikolay-Panter, Verein, S. 134.

[5] Vgl. insbesondere Der Historische Verein für den Niederrhein (1854–2004). Festschrift zum 150jährigen Bestehen. Hrsg. von Ulrich Helbach mit Unterstützung von Heinz Finger, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 207 (2004).

[6] Vgl. Nikolay-Panter, Verein; siehe darüber hinaus zusammenfassend Christoph Kaltscheuer, Geschichte des Vereins für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande – Ein Überblick, https://vglr.hypotheses.org/ueber-uns/geschichte-des-vereins [letzter Zugriff: 16.02.2025].

 

Zitierweise:
Rohrschneider, Michael: Ein Grund zu feiern: 100 Jahre Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (1925–2025), in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 18.03.2025, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2025/03/100-jahre-verein

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