Römische Landnutzung im antiken Industrierevier der Osteifel Von Stefan Wenzel, Martin Grünewald und Ricarda Giljohann

Der vorliegenden Publikation zum Industrierevier der Osteifel ging ein Forschungsprojekt[1] der drei Autoren voraus. Genauer betrachtet werden hier zwei römische Villen am Nordrand der Mayener Mühlsteinbrüche, deren Untersuchung unter geophysikalischen, geoarchäologischen und botanischen Gesichtspunkten sowie durch Grabungen erfolgte.

Das Projekt zur Landnutzung im Umfeld eines römischen ‚Industriereviers‘ als Teil eines Verbundprojekts „Entstehung einer Industrielandschaft – Das antike Steinbruch- und Bergwerksrevier zwischen Eifel und Rhein“ stellte unter anderem die Frage in den Mittelpunkt, wie die regionale Landwirtschaft den wirtschaftlichen Boom tragen konnte, der ab augusteischer Zeit (30 v.Chr.-14 n.Chr.) durch die Mayener Mühlsteinbrüche ausgelöst wurde. Um dieser Frage nachzugehen, erfolgte eine genauere Untersuchung des Segbachtals in Mayen, da hier einige römische Fundstellen zu verorten sind sowie eine Nähe zu den Mühlsteinbrüchen vorliegt

Die Monographie zur römischen Landnutzung im antiken Industrierevier der Osteifel ist in drei Teile gegliedert: Neben den sorgfältig dargelegten Forschungsergebnissen zu Grabungen in Mendig, hier die Siedlungsstellen „Im Winkel“ (S. 3-165) sowie „Lungenkärchen“( S. 169-351), wird in einem dritten übergreifenden Kapitel abschließend auf die „Landschaftsentwicklung und Landnutzung im Segbachtal bei Mendig“ (S. 355-431) eingegangen. Die Bibliographie (S. 433-454) sowie fünf Beilagen runden das Werk ab. Online ist ein weiterer Anhang zugänglich, der sich mit den Methoden und den daraus resultierenden Ergebnissen zum letzten Kapitel beschäftigt.

Nach einer kurzen Vorbemerkung zum antiken Industrierevier der Osteifel und dem ausgewählten Gebiet der DFG-geförderten Studie folgt der erste größere Teilbereich, „Die Siedlungsstelle von Mendig, ‚Im Winkel‘“, beginnend mit dem Beitrag von Stefan Wenzel villa und burgus betreffend. Bereits seit den 1950er Jahren sei bekannt, dass man es hier mit einem großen befestigten Kornspeicher aus der Spätantike zu tun hatte, und dies in direkter Nähe zu den Mühlensteinbrüchen. Durch geophysikalische Prospektion und Grabungsschnitte wurde die Siedlungsstelle in Teilen erschlossen. In der frühen und mittleren Kaiserzeit hatte die villa diesen Erkenntnissen zufolge ein Haupt- und ein Nebengebäude sowie eine Hoffläche von mindestens 2000 Quadratmetern. Hinzu kommen ein antiker Werkstattbereich, ein Wasserbecken, ein mögliches Rückhaltebecken sowie der auf einer Anhöhe gelegene burgus. Zudem ließ sich eine zur villa gehörende Wirtschaftsfläche von 46 ha rekonstruieren. Somit handelte es sich um eine Anlage mittlerer Größe.

Unterhalb des burgus wurde zudem ein Drainagesystem nachgewiesen. Dieses, so Wenzel, könnte dazu gedient haben, das Vorfeld des burgus trocken zu legen, um einen Umschlagplatz für den Abtransport der Mühlsteine und die Anlieferung des Getreides zur Versorgung der Steinbruchmitarbeiter zu erhalten (137, 151). Da die Lagerkapazität des Kornspeichers laut Wenzel den Bedarf der Villen-Bewohner allein bei weitem überstieg, ist dies eine nachvollziehbare Interpretation.

Nach dem sehr umfassenden Beitrag zu villa und burgus folgen drei weitere Unterkapitel. Tanja Zerl beschäftigt sich mit den Pflanzenresten der Siedlungsstelle (153-158), Ursula Tegtmeier steuert die Untersuchungen von Holzkohlen aus dem Hauptgebäude (159-160) sowie von verkohlten Objekten aus Holz aus dem burgus (161-165) bei. Der zweite große Teilbereich betrifft „Die Axialvilla von Mendig, ‚Lungenkärchen‘“. Martin Grünwald gibt einen kurzen Einblick in die bisherige Forschungsgeschichte und in die geologische und landschaftliche Situation der Villa und erläutert dann die Befunde. Spannend ist hier, dass man unerwartet auf eine Axialvilla stieß; es folgt dazu eine sorgfältige Darlegung der Ergebnisse aus der Grabung. Erläutert wird jedoch auch, wo noch weitere Grabungsarbeiten notwendig sein werden, um weitere Erkenntnisse zu erhalten. Der Autor sieht in den bisherigen Forschungsergebnissen die These untermauert, der Reichtum der Villenbesitzer habe sich auch aus der Beteiligung an der Mühlsteinproduktion gespeist. Die Hofanlage umfasste mindestens 4,5 ha, das gesamte Areal war laut der Autoren in der mittleren Kaiserzeit nicht größer als 100 bis 120 ha. Die Axialvilla von Mendig, „Lungenkärchen“ ist eine von derzeit vier bekannten Axialhofanlagen.

An diese Untersuchung anschließend gibt Ricarda Giljohann Auskunft über die unterschiedlichen Funde der Axialvilla, nach Material sortiert (227-322). Renate Thomas stellt die Wandmalereifunde vor (323-340), Tanja Zerl widmet sich den Pflanzenresten (341-342). Ricarda Giljohann und Martin Grünewald liefern anschließend noch einen chronologischen Abriss sowie ein Fazit (343-351). Der letzte große Abschnitt erläutert im Detail die Landschaftsentwicklung und Landnutzung im Segbachtal bei Mendig (ab 355) und zeigt das Zusammenspiel der verschiedenen Wirtschaftszweige auf.

Es handelt sich um eine sorgfältig erarbeitete und umfassende Studie zum antiken Osteifler Industrierevier am Beispiel zweier ausgewählter Siedlungskomplexe. Die Autoren können anhand der Befunde überzeugend aufzeigen, wie sich die beiden Villen in diese Situation einpassten. Für das Gebiet konnten wichtige Stationen von der Spätlatènezeit (circa 150 v. Chr. bis um Christi Geburt) bis an den Übergang zum frühen Mittelalter festgestellt werden. Aus der Tatsache, dass die Bewohner des Segbachtals vermutlich selbst im Mühlsteingewerbe tätig waren, habe sich eine Sonderstellung ergeben, aus der sich die lange Besiedlungszeit (bis in die 2. Hälfte des 5. Jhs.) sowie eine „ungewöhnliche Dichte von großen Villen in nächster Umgebung“ erklären ließe (431). Die regionale Landwirtschaft, so das Fazit, habe den wirtschaftlichen Boom, der mit den Steinbrüchen einherging, durchaus tragen können (430).

Neben den Grabungsbefunden ziehen die Autoren auch Hinweise aus historischen Schriftquellen zur Untermauerung ihrer Überlegungen hinzu – hier wäre wünschenswert gewesen, hätte man die antiken Autoren direkt zitiert, anstatt häufig auf Sekundärliteratur zu verweisen[2].

Wenzel, Stefan/Grünewald, Martin/Giljohann,Ricarda: Römische Landnutzung im antiken Industrierevier der Osteifel, Heidelberg: Propylaeum, 2021 (Monographien des RGZM, Band 155), 466 Seiten; ISBN: 978-3-88467-334-8

 


[1] https://web.rgzm.de/no_cache/forschung/schwerpunkte-und-projekte/details-forschungsprojekte/article/zur-landnutzung-im-umfeld-eines-roemischen-industriereviers/ [02.02.22].

[2] Bspw. S. 86: Ein direktes Zitat von Ausonius, sowie S. 99 ein Verweis auf eine Stelle bei Columella zum Verhältnis von Aussaat und Ernte. Eine Nennung einer entsprechenden Stelle erfolgt erst auf S. 100. An späterer Stelle erfolgt ein Verweis auf eine Angabe von Vitruv zum idealen Gefälle einer Wasserleitung, ganz ohne die Stelle zu nennen, vgl. S. 222.

 

Zitierweise:
Stracke, Jennifer: Rezension zu “Römische Landnutzung im antiken Industrierevier der Osteifel”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 25.04.2022, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2022/04/rezension-roemische-landnutzung-stracke

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Jennifer Stracke

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