Die Synodalstatuten der Kölner Kirche im Spätmittelalter 1261-1513 Bearb. von Heinz Wolter

Das eigens zur Veröffentlichung und Übergabe der (Neu-)Edition in Köln am 1. Juli 2022 veranstaltete Kolloquium zeigte bereits in seiner breiten thematischen Vielfalt – die Beiträge gelten nach dem einführenden zur Editionstechnik der Kirchen-, Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und auch der politischen Geschichte – und mehr noch durch die Ansätze zu vergleichender Perspektive, wie lohnend und ertragreich die Edition dieser spezifischen Rechts- und Verwaltungsquellen sein kann und weiterhin sein wird. Selbst bei der vorliegenden Eingrenzung auf das Spätmittelalter und auf den konkreten Fall Köln erweisen sich die Synodalstatuten als eine wahre Fundgrube für Fragestellungen und Forschungsziele, und dies weit über einen lokal- oder regionalgeschichtlichen Bezugsrahmen hinaus, denn die von Wolter vorgelegte Sammlung für Köln umfasst nicht nur die Diözesanstatuten, sondern sachgemäß auch die – in freilich geringerer Anzahl überlieferten – Provinzialstatuten mit dem Geltungsbereich für die gesamte Kölner Kirchenprovinz. Für die gut zweieinhalb Jahrhunderte der Episkopate von Konrad von Hochstaden bis Philipp II. von Daun gibt die Edition diese Zeugnisse “legislatorische[r] Tätigkeit” (Einführung S. 24), drucktechnisch bedingt in zwei Bänden, wieder. Konkret diente diese Form (erz)bischöflicher, immer in unmittelbarem Kontext mit synodaler Tätigkeit erlassener Gesetzgebung der ‘Übersetzung’ päpstlicher und konziliarer Vorschriften in den “Verständnishorizont” des niederen Klerus und insbesondere auch der Anpassung an die “regionalen Gegebenheiten” (ebd. S. 25). Es mag weniger der Überlieferungslage (siehe unten) geschuldet sein als vielmehr dem Umstand, dass die Kölner Erzbischöfe des Spätmittelalters auffallend selten Provinzialsynoden einberufen haben, wenn die Kölner Provinzialstatuten mit Ausnahme allenfalls von Utrecht so wenig Reflex und Niederschlag in den Suffraganbistümern gefunden haben.

Breit, und dies mit Blick auf die sehr komplexe und komplizierte Lage völlig zu Recht, erörtert Wolter im Vorspann die handschriftliche Überlieferung der von ihm edierten bzw. neu edierten Kölner Statuten (S. 32-37 und S. 38-62). Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass die Statuten, um die in der Regel erforderliche breite Bekanntmachung zu gewährleisten, vervielfältigt werden mussten und der Editor sich aufgrund dessen einer Vielzahl an Sammelhandschriften und Einzelkopien in verschiedenen Archiven und Beständen gegenübersieht. Eine Überlieferungslage, deren für eine kritische Edition erforderliche Klärung aufgrund gewisser Unstimmigkeiten in den frühen Drucken (1478, 1486, 1492 und vor allem die umfassende Ausgabe von Quentel 1554) zusätzlich noch ein wenig erschwert wird.

Die Edition Wolters umfasst alle im genannten Zeitraum in den Handschriften der Statuten überlieferten Verfügungen und Rechtssatzungen. Den kritischen Maßstäben folgend, basiert die Ausgabe bei Mehrfachüberlieferung grundsätzlich auf der “jeweils zuverlässigste[n] Handschrift”, wobei gegebenenfalls “passendere Lesarten” (S. 69) aus anderen Handschriften in den Text übernommen werden. Dem Kopfregest folgen jeweils Angaben zu Gestalt, Überlieferung, Druck(en) und bisheriger Regestierung. Bei Bedarf – und dies ist häufig der Fall – erläutert Wolter vor der Textfassung die Umstände der Entstehung und der Überlieferung sowie die Inhalte näher, auch in Auseinandersetzung mit der erschlossenen Literatur. Vereinzelt nutzt er dann auch Fußnoten für weitere Sachkommentare oder Literaturhinweise. Der textkritische Apparat zu den einzelnen Stücken schließlich verzeichnet, im Fall von Parallelüberlieferung, akribisch die Abweichungen und verschiedenen Lesarten. Auf diese Weise und bei immerhin 216 Statuten bzw. Statutentexten bringt es die Edition auf gut 800 Textseiten. Es liegt sicherlich an Charakter und Inhalt dieser Rechtsquellen, dass der Namenindex im Vergleich etwa zu Urkunden relativ überschaubar ist (S. 887-903). Der das Werk abschließende, mit Augenmaß gehaltene Sachindex (S. 904-918) erleichtert den Überblick und den Einstieg in die vielfältigen Themenwelten der Gattung Synodalstatuten, hier am Kölner Fundus, ungemein.

Schon bei einem kursorischen Hineinlesen in die einzelnen Dokumente fällt auf, dass Norm und Vorstellungswelt von Strafe und Buße einen der prägenden Wesenszüge der Synodalstatuten darstellen. Die durch die Jahrhunderte immer wiederkehrenden Verfügungen zu Exkommunikation, Interdikt etc. lassen erahnen, wie tiefenscharf auch diese Quellengattung in das bekannte Raster der Abweichung oder gar Diskrepanz zwischen rechtlicher Norm und sozialer, ‘gelebter’ Wirklichkeit passt. Die Spannweite umfasst nicht nur die maiora peccata (z. B. Nr. 5 S. 141 [1275/1282]) von Laien und wie Priester damit umzugehen haben, etwa Mord, Inzest, Vergewaltigung oder Verkehr mit Nonnen, sondern zwangsläufig auch Vergehen ihres Klerus selbst, gegen die die Erzbischöfe regelmäßig mehr oder weniger scharf vorgehen müssen, etwa den unerlaubten Weinverkauf, um nur ein Beispiel herauszugreifen (Nr. 65 S. 427-430 [1346]). Aber auch alte Missstände wie bspw. der Ämterkauf waren und blieben ein lästiges Dauerthema, das immer wieder des Verbots und der Bestrafung bedurfte, ganz zu schweigen vom Zusammenleben von Priestern mit Konkubinen.

Dies leitet über zum nächsten großen Themenbereich, der sich in den Synodalstatuten festmachen lässt und der das kirchliche Amt, konkret die Amts- und Lebensführung des Diözesanklerus betrifft. Besonderer Erwähnung verdienen hier vielleicht die ausführlichen Bestimmungen über die Sakramentenspendung in dem in seiner Provenienz nicht unumstrittenen, wohl aber doch eher nach Köln (als nach Münster) weisenden Statut Nr. 5, das lange Zeit – zu Unrecht – als Fälschung angesehen wurde (S. 122-155, hier S. 133-144 [1275/1282]). Zur Lebensführung sind natürlich auch die Regelungen für das monastische Leben von Mönchen und Nonnen in der Diözese bzw. – idealiter – in der Kirchenprovinz zu nennen.

Einen großen Komplex kirchlichen Lebens umfassen die zahlreichen Bestimmungen zum Gottesdienst und näherhin zur Messe. Hier reicht das Spektrum von allgemeinen Regelungen, wie etwa von Handlungsanweisungen im Fall von Störungen oder Beeinträchtigungen des Messablaufs, bspw. infolge erkennbarer Trunkenheit des Zelebranten (Nr. 137, hier c. 8 S. 604 f. [1371]), bis hin zu spezifischen Regelungen, bspw. die Festlegung der Termine für die beweglichen Feste im Kirchenjahr 1510 (Nr. 210 S. 868-860 [1510]).

Kaum verwundern kann, insbesondere nicht vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Ekklesiologie, dass auch der Glaubensdisziplin breiter Raum in den Synodalstatuten zukommt und hier auch Fragen bzw. Formen der Abweichung und der Ketzerei behandelt werden. Als ein markantes Beispiel mögen hier die Maßnahmen Erzbischof Friedrichs III. von Saarwerden gegen die Flagellanten genügen (Nr. 165 S. 676 f. [1400] und Nr. 166 S. 677 f. [1400]), die ein sehr konsequentes Vorgehen gegen diese secta nepharia (S. 676) offenbaren.

Mit Einzel- und spezielleren Themen aus den Bereichen der eingangs angesprochenen Disziplinen könnte der bunte Reigen noch erheblich fortgeführt werden, den die Kölner Synodalstatuten für zukünftige Forschungen bieten. Sie liegen nun in vollständiger Sammlung für das Spätmittelalter in einer modernen, textkritischen Edition und im wahren Wortsinn ‘griffig’ vor. Man kann und darf, ausgehend vom Niveau der Edition Wolters, hoffen, dass Ausgaben vergleichbarer Qualität den Zugang zu dieser Quellengattung weiter erleichtern – mit gutem Grund: das erwähnte Kolloquium gab Einblick in ein laufendes Editionsprojekt, zu den Magdeburger Synodalstatuten, die wie die Kölner ebenfalls Provinzial- und Diözesanstatuten umfassen werden.

 

Wolter, Heinz (Bearb.), Die Synodalstatuten der Kölner Kirche im Spätmittelalter 1261-1513 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 84), Böhlau Verlag, Wien/ Köln 2022. zwei Bde., 918 Seiten; ISBN: 978-3-412-52211-7

 

Zitierweise:
Bauer, Thomas: Rezension zu “Die Synodalstatuten der Kölner Kirche im Spätmittelalter 1261-1513”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 05.04.2023, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2023/03/rezension-synodalstatuten-der-koelner-kirche-im-spaetmittelalter-bauer

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PD Dr. Thomas Bauer

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