Köln. Eine Stadtgeschichte in Bildern (4 Bde.) Von Wolfgang F. Meier und Werner Schäfke

Wer unbedingten Wert auf eine detailliert in Breite und Tiefe angelegte wissenschaftliche Darstellung legt, mag zur Buchreihe „Geschichte der Stadt Köln“ greifen, die auf 13 Bände angelegt ist (von denen immerhin neun bereits erschienen sind). Dass sich Kölner Stadtgeschichte auch anders darstellen lässt, zeigen die vier Bände, für die Werner Schäfke die Texte und Wolfgang F. Meier die Fotos beigesteuert haben.

Gerechterweise wird man gleich festhalten müssen, dass beide Projekte sich zwar demselben Thema widmen, in ihren jeweiligen Konzeptionen jedoch nicht vergleichbar sind. Bereits mit dem Titel „Stadtgeschichte in Bildern“ wird der besondere Ansatz klar, und hervorzuheben ist, dass die Abbildungen tatsächlich nicht bloß Beiwerk sind, sondern das Rückgrat dieses Projekts darstellen.

Deswegen zunächst kurz zur Anlage der Bände: Die Fotos stehen im Mittelpunkt, indem pro Band um die 80 Motive einzelne historische Themen vorstellen: Während die rechte Seite das Bildmotiv zeigt, bietet die linke Seite eine knappe historische Einordung. Auf diese Weise schreiten die vier Bände rund 2000 Jahre Kölner Geschichte ab. Der erste Band beinhaltet die Gründung der Römer, die antiken Jahrhunderte und das frühe Mittelalter, im Grunde dunkle Jahre, in denen Kölner Stadtgeschichte im Vergleich zu späteren Epochen nur deutlich schemenhafter fassbar ist. Mit dem zweiten Band wird die große Zeit Kölner Geschichte im Hohen und Späten Mittelalter zelebriert, sowohl als Herrschaftszentrum der Erzbischöfe wie auch als freie Stadt, die ökonomisch potent und politisch bewusst wird. Der dritte Band widmet sich der Neuzeit, die für Köln wie auch für viele andere Städte unter dem Stichwort „Zeiten des Niedergangs“ eingeläutet wird. Eine Abfolge von Umbrüchen kennzeichnet diese Phase bis ins „preußische Jahrhundert“, in dem immerhin Stabilität und wirtschaftlicher Aufschwung kommen, zumindest bis zum Ersten Weltkrieg. Das 20. Jahrhundert und der Anschluss bis zur Gegenwart bildet dann das Thema für den abschließenden vierten Band.

Die Farbfotographien sind ausnahmslos von hoher Qualität und stammen sämtlich aus dem reichen Fundus von Wolfgang F. Meier. Entstanden in den Jahren um die Jahrtausendwende (Bd. 1, S. 9) bilden sie geradezu eine Art Werkschau des Schaffens dieses Fotographen. Bei den Motiven überwiegen architektonische Themen; Stadtansichten, Gebäude, Denkmale und Kunstwerke prägen die Bände. Neben panoramaartigen Bildern finden sich auch viele Detailstudien, mitunter auch aus überraschender Perspektive. Was fast völlig fehlt, ist die sonst auch in Ausstellungen vielfach präsentierte Flachware, also Reproduktionen von Handschriften, frühen Drucken, Flugblättern und (ganz selten) Gemälden (vgl. aber Bd. 2, S. 43 ff., „Eine Stadt sucht Schutz“), die ebenso Facetten Kölner Geschichte hätten repräsentieren können.

Man kann bedauern, dass historische Aufnahmen sich nicht finden lassen, die also die Perspektive früherer Zeiten und auch damit auch längst vergangene Ansichten bieten. Umgekehrt wird man sagen können, dass diese Auswahl ein Bild Kölns um das Jahr 2000 und auf seine Weise einen eigenen historisch konsistenten Rahmen festhält. So finden sich Prospekte auf historische Gebäude – als separates Motiv, aber auch im städtischen Kontext –, dann aber bauliche Detailaufnahmen. Das Gros der Motive findet sich im Kölner Stadtzentrum; erst der vierte Band, der „Kölns Weg in die Gegenwart“ skizziert, nimmt auch rechtsrheinische Ansichten und solche von weiter außerhalb gelegenen Stadtteilen auf. Die Ansichten sind stimmungsvoll in Szene gesetzt, etwa bei sonnenbeschienenen und nächtlichen Aufnahmen oder bei Fenstermalereien.

Nicht minder eindrücklich geraten die Detailstudien von einzelnen Objekten, die historische Ereignisse, Persönlichkeiten oder Epochen repräsentieren. Als Zeugen der Kölner Antike fungieren etwa ein Ausschnitt aus dem sog. Gladiatorenmosaik (Bd. 1, S. 77) und marmorne Büsten aus einer antiken Grabkammer (Bd. 1, S. 92 f.). Eingehend vorgestellt wird die Annus-Decke aus dem Schatz von St. Kunibert (Bd. 1, S. 168-171), und ebenfalls aus St. Kuniberg wird aus dem Fenster der Apsis das Motiv des „Versuchers“ en detail präsentiert (frühes 13. Jahrhundert, Bd. 2, S. 94 f.). Lohnende Detail finden sich natürlich auch aus späteren Zeiten, so die Kölner Stadtansicht aus dem 17. Jahrhundert am Fuß des Sebastianusaltars in St. Gereon (Bd. 3, S. 42-45) oder die Ursuladarstellung aus derselben Epoche (ebd. S. 76-79). Nicht minder eindringlich sind die Motive, die an die Vernichtungspolitik der nationalsozialistischen Herrschaft erinnern, so die Gedenktafel am Deutzer Bahnhof, der Hinweis auf die Deportation von Sinti und Roma am Zeughaus und Stolpersteine an der Bonner Straße (Bd. 4, S. 89-95). Es spricht sehr für die Qualität der Aufnahmen, dass großformatige Panoramaansichten wie Ausschnitte in einem Buchformat, das eben nicht in den Dimensionen eines Katalogs, sondern nur etwas größer als DIN A5 angelegt ist, sehr überzeugend wirken.

Die Abbildungen sind eingebettet durch die Texte von Werner Schäfke. Die Einleitungen skizzieren mit wenigen Strichen das Bild ganzer Epochen. So reichen 26 Seiten im ersten Band, um die Stadtgründung in römischer Zeit über den Ausgang der Antike und das beginnende Mittelalter bis zur ersten Blüte („Köln wird Metropole“) um das Jahr 1000 zu beschreiben. Ganz ähnlich sind die Einführungen in den anderen drei Bänden gestaltet: verknappt und mit deutlicher Schwerpunktsetzung, so im Mittelalter etwa mit einem deutlichen Fokus auf die innere Entwicklung und vor allem das soziale Gefüge der Freien und Reichsstadt. Für die frühen Jahrhunderte, die bekanntermaßen deutlich schemenhafter sind als die jüngste Geschichte, mag man das nachvollziehen können. Doch gelingt dieses Prinzip einer Geschichtsbetrachtung mit bewusst vollzogenen Auslassungen auch für das 19. und 20. Jahrhundert.

Spezialisten für die jeweiligen Epochen werden vielfach monieren, dass Unverzichtbares fehlt, und fragen, warum stattdessen andere, minder bedeutsame Aspekte betont werden. Für die „Zeiten des Niedergangs“ (Bd. 3, S. 11-19), die immerhin die gesamte Frühe Neuzeit zusammenfassen wollen, erspart sich Schäfke jedes Wort zu den neuen Druckmedien, obwohl gerade Köln nicht nur regional, sondern auch im Heiligen Römischen Reich insgesamt eines der großen „Kommunikationszentren“ gewesen ist. Dass dagegen Hermann von Weinsberg als Zeitzeuge angeführt wird (S. 11 f.), ist sicher kein Fehler: nur gibt es zu ihm kein fotographisches Motiv, das seine Erwähnung in der Einleitung aufgreifen könnte. Ähnliches gilt umgekehrt für Jan von Werth oder Nikolaus Gülich, deren standbildliche Repräsentanzen in Köln zum Anlass genommen werden, ihre jeweiligen Bezüge zur Kölner Geschichte zu verdeutlichen; eine Verklammerung mit der Einleitung unterbleibt jedoch.

An der Stelle gilt es aber festzuhalten, dass der Anspruch der Bände wie eingangs erwähnt eben keine wissenschaftliche Darstellung anbieten möchte. Und man wird in diesen Bänden auch keine neueren oder weitergehenden Erkenntnisse erwarten dürfen. Seriös bleibt jedoch die Beschreibung der Kölner Geschichte anhand der fotographischen Exponate allemal. Und man darf diese Form der Präsentation auch nicht als leichtgewichtig abtun. Vielmehr erfüllt dieser Zugang zur Stadtgeschichte eine ganz andere Vermittlung historischer Themen. Da die Fotographien vor und nach dem Millenium entstanden sind, präsentieren sie Motive, die man sich heute noch anschauen kann. Die vier Bände lassen sich daher auch als Einladung verstehen, die Stadt Köln als historischen Ort zu entdecken, an dem sich Geschichte auf Schritt und Tritt erfahren lässt.

 

Wolfgang F. Meier / Werner Schäfke: Köln. Eine Stadtgeschichte in Bildern, 4 Bde., Köln / Weimar / Wien 2020, Böhlau Verlag, 189, 207, 194 u. 194 S., 99,- Euro; ISBN 978-3412520069

 

Zitierweise:
Kaiser, Michael: Rezension zu “Köln. Eine Stadtgeschichte in Bildern (4 Bde.)”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 03.05.2021, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2021/05/rezension-koeln-eine-stadtgeschichte-in-bildern-kaiser

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Dr. Michael Kaiser
Dr. Michael Kaiser

Über Dr. Michael Kaiser

Dr. Michael Kaiser verantwortet als Referatsleiter in der Geschäftsstelle der Max Weber Stiftung in Bonn die Publikationsplattform perspectivia.net und kümmert sich allgemein um Themen der Digitalisierung der Geisteswissenschaften. Als Frühneuzeithistoriker beschäftigt er sich vor allem mit der Epoche des Dreißigjährigen Kriegs und hat weitere Forschungsschwerpunkte in der rheinischen, brandenburg-preußischen und bayerischen Landesgeschichte. Er hat einen Lehrauftrag an der Universität Bonn und ist Mitherausgeber von Zeitschrift „Geschichte in Köln“.

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