Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa

Der Katalog „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“, herausgegeben von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz und Bernd Schneidmüller, entstand als Ergänzung zu der gleichnamigen Landesausstellung, welche am 9. September 2020 in Mainz eröffnet wurde und dort voraussichtlich bis zum 18. April 2021 zu sehen sein wird. Die Ausstellung sowie der zugehörige Katalog behandeln anhand ausgewählter Objekte und Fragestellungen die Geschichte der mittelalterlichen Kaiser von der Herrschaft Karls des Großen (768–814) bis zu Karl IV. und der Goldenen Bulle von 1356. Im Mittelpunkt steht hierbei zum einen das Forschungskonzept der ‚konsensualen Herrschaft’[1], der Erkenntnis also, dass die Erfolge oder Misserfolge mittelalterlicher Herrscher maßgeblich von deren „Fähigkeit zur Steuerung adligen Konsenses und seine[r] offensive[n] Einforderung“[2] abhingen. Zum anderen wird die Bedeutung des Mittelrheingebiets als herausragende Kultur- und Wirtschaftslandschaft des Reiches dargestellt.

@ Radek Brunecky; Ausstellungsgestaltung Holzer Kobler Architekturen

Der Band ist weitgehend chronologisch geordnet; auf eine kurze Einführung in die Symbolik des Throns sowie einen zugehörigen Katalogteil folgen die fünf ‚Hauptkapitel‘ („I. Karl der Große ‒ Das Kaisertum wird neu erfunden“, „II. Heinrich II. ‒ Der Mainzer Erzbischof als Königsmacher“, „III. Heinrich IV. und Heinrich V. ‒ Die Kaiser müssen sich beugen“, „IV. Friedrich I. Barbarossa ‒ Das heilige Reich: Vision und Wirklichkeit“ und zuletzt, durch das Fehlen einer römischen Nummerierung von den anderen Abschnitten abgesetzt, „Säulen der Macht ‒ Die Kurfürsten schreiten zur Wahl“). Jedes dieser Hauptkapitel wird eingeleitet durch einen „Zeitenblick“ ‒ einen kurzen Abriss der Ereignisse und machtpolitischen Entwicklungen des jeweiligen Zeitraums ‒ und besteht aus mehreren, kürzeren Essays, die schlaglichtartige Darstellungen verschiedener ereignis-, kultur-, wirtschafts-, sozial- und rechtshistorischer Entwicklungen bzw. Gegebenheiten bieten. Hierbei handelt es sich um Beiträge von Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen, wobei neben der Geschichtswissenschaft sowie den Historischen Grundwissenschaften vor allem die Archäologie und die Kunstgeschichte vertreten sind.

Obwohl die ersten vier dieser Abschnitte den Namen eines oder zweier Kaiser im Titel tragen, scheinen weder deren Herrschaft noch die der Dynastien, denen sie angehörten, ausschlaggebend für die Gliederung gewesen zu sein. Vielmehr schließt jedes Kapitel an einem Punkt, an dem sich ein einschneidender Wandel in der Dynamik zwischen dem König- bzw. Kaisertum und den Großen des Reiches feststellen lässt. So endet beispielsweise der Abschnitt mit dem Titel „Heinrich II. – Der Mainzer Erzbischof als Königsmacher“ nicht mit dem Tod dieses Herrschers (1024), welcher auch das Ende der ottonischen Dynastie bedeutete, sondern umfasst darüber hinaus noch die Herrschaft der ersten zwei Salierkaiser, Konrads II. (1024–1039) und Heinrichs III. (1039–1056). Die Regierungszeiten der letzten beiden Salier, Heinrichs IV. und Heinrichs V., werden hingegen in dem nächsten Kapitel behandelt, da der in der Zeit von etwa 1070 bis 1122 ausgetragene sogenannte ‚Investiturstreit‘ weitreichende Veränderungen im Verhältnis der weltlichen und der geistlichen Sphäre und damit auch im Zusammenspiel zwischen dem römisch-deutschen Herrscher und den geistlichen, aber auch den weltlichen Fürsten seines Reiches zur Folge hatte. Durch den Titel des letzten Hauptkapitels „Säulen der Macht – Die Kurfürsten schreiten zur Wahl“ wird dem übergreifenden Thema des Bandes Rechnung getragen, nämlich der langfristigen Entwicklung hin zu einem in beständig zunehmendem Maße auf den Konsens mit den Großen bzw. Fürsten angewiesenen König- bzw. Kaisertum. Von herausragender Bedeutung war hierbei natürlich die Herausbildung des Kurfürstenkollegiums, dessen Mitglieder und Rechte von kaiserlicher Seite erstmals in der Goldenen Bulle von 1356 kodifiziert wurden.

@ Radek Brunecky; Ausstellungsgestaltung Holzer Kobler Architekturen

Neben den Herrschern und den Fürsten spielten auch andere Akteure im Laufe des behandelten Zeitraums eine bedeutende Rolle: Im Zusammenhang mit der skizzierten Entwicklung ist vor allem der seit dem 11. und 12. Jahrhundert zunehmende Einfluss der Städte zu nennen, wobei dem Rheinland in dieser Hinsicht eine gewisse Vorreiterrolle zuzusprechen ist. So stammen beispielsweise die frühesten überlieferten Stadtsiegel aus Trier, Köln und Mainz, wobei im Rahmen des Katalogs besonders die Siegel von Mainz, Worms und Speyer vorgestellt werden (Kat.IV.41‒43). Diese drei Städte werden ebenfalls aufgrund der hier angesiedelten jüdischen Gemeinden, der sogenannten SchUM-Gemeinden, und deren herausragender Bedeutung für das aschkenasische ‒ also das nord-, mittel- und osteuropäische ‒ Judentum hervorgehoben. Zudem enthält jeder der großen thematischen Abschnitte Beiträge zu einigen der Königinnen und Kaiserinnen, in denen dargestellt wird, inwiefern und auf welche Weise sie in die Herrschaft ihres Ehemannes eingebunden waren. Für andere, wie etwa die Kaiserinnen Adelheid (†999) oder Agnes (†1077), wird ausgeführt, wie sie für ihren noch minderjährig zum Herrscher erhobenen Sohn bzw. Enkel die faktische Regentschaft übernahmen oder zumindest entscheidenden Anteil daran hatten. Zuletzt wird eine kurze Übersicht über die neuzeitliche Rezeption des mittelalterlichen Kaisertums sowie über den zeitgenössischen Blick auf das (früh-)neuzeitliche Kaisertum ab dem 18. Jahrhundert geboten, wobei hier besonders die Symbolik der Reichsinsignien, in erster Linie der Krone, im Vordergrund steht.

Auf die Essays eines Kapitels folgt ein Katalogteil, in welchem die zugehörigen Exponate aus der Ausstellung vorgestellt werden. Diese werden hier, sofern der Zusammenhang nicht ohnehin eindeutig ist, zumeist in den Gesamtkontext des Bandes eingeordnet und ggf. werden auch einzelne Forschungsfragen, welche die Objekte aufwerfen, dargestellt. Neben der gelungenen Auswahl der Exponate ist vor allem die hohe Qualität der Abbildungen hervorzuheben. Auch der Essayteil enthält zahlreiche Abbildungen, darunter auch einige Karten, welche gemeinsam mit der Herrscherliste zu Beginn sowie den im Anhang enthaltenen genealogischen Übersichten eine gewisse räumliche und zeitliche Orientierung im Material bieten.

Insgesamt schafft es der vorliegende Band, einen guten Einblick in die Geschichte des mittelalterlichen Kaisertums und in das Zusammenspiel von Herrschern und Fürsten zu vermitteln. Dabei wird zwei häufig anzutreffenden Irrtümern entgegengewirkt: Zum einen wird herausgestellt, dass es sich bei dem mittelalterlichen König- oder Kaisertum keineswegs um eine absolute Herrschaft handelte, sondern dass der Herrscher stets auf den Konsens mit den Großen bzw. Fürsten im Reich angewiesen war, um seine Herrschaft erfolgreich ausüben zu können. Zum anderen wird deutlich, dass ‚das Mittelalter‘ mitnichten eine durch Stagnation gezeichnete, homogene Epoche war, sondern eine dynamische und ständigem Wandel unterworfene Zeit.

 

Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Hrsg.: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz/Bernd Schneidmüller. Verlag: wbg Theiss. Hardcover mit Schutzumschlag, 560 Seiten mit 368 farbigen Abbildungen und 9 Karten; ISBN 978-3-8062-4174-7.


[1] Vgl. hierzu Bernd Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit, Festschrift für Peter Moraw, hg. von Paul-Joachim Heinig et al. (Historische Forschungen 67), Berlin 2000, S. 53-87.

[2] Ebd., S. 68f.

 

Zitierweise:
Winter, Naemi: Rezension zu “Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 22.02.2021, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2021/02/rezension-kaiser-und-die-saeulen-winter

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Naemi Winter

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