Über dem Eingang des Anatomischen Instituts der Universität Bonn steht selbstverständlich „Anatomisches Institut“, über dem Geologischen Institut prangt „Geologisch-Palaeontologisches Institut“, doch die Tür zum Institut für Geschichtswissenschaft krönt ein stuckumranktes „Glück auf“. Ein Fehler? Ein akademischer Hoffnungsschimmer auf kommende Leistungen? Tatsächlich handelt es sich um eine gegenständliche Quelle für die alles andere als geradlinige Standort-Geschichte der Geschichtswissenschaft an der Universität Bonn.
Die Spuren dieser Geschichte sind unübersehbar: Fordert schon der Schriftzug über dem Eingang des Institutsgebäudes Eintretende mit einem deplatzierten Türspruch heraus, so fällt im Innenraum der erste Blick auf das übergroße moderne Buntglasfenster eines Bergarbeiters mit Spitzhacke. Beide Merkmale im Eingangsbereich des Instituts sind die offenkundigsten Überreste einer Gebäudegeschichte, die erst seit 1970 von Historiker/innen mitgeschrieben wird. In den gut siebzig Jahren davor beherbergte das heutige Institutsgebäude das Oberbergamt – eine Behörde mit Zuständigkeit zur geologischen Untersuchung der Böden und der Überwachung des staatlichen und privaten Bergbaus. Das Amt in Bonn – 1816 in der Preußischen Rheinprovinz gegründet – hatte in wechselnder Zusammenstellung eine Aufsicht über den Bergbau in verschiedenen preußischen bzw. zum deutschen Reich und der Bundesrepublik gehörigen Gebieten.
Doch 1970 war Schluss mit der Bergverwaltung in Bonn: Die Behörde siedelte erst nach Dortmund um, 2000 wurde sie aufgelöst. An die Stelle des Oberbergamtes traten 1970 die Historiker/innen, die für die Universität das Gebäude der Konviktstraße 11 übernahmen und seither aus dem neubarocken Verwaltungsgebäude ihr „Historisches Seminar“ – heute Institut für Geschichtswissenschaft – machten. Zum Sommersemester 1970 konnte der Forschungs- und Lehrbetrieb im frisch renovierten Amtsgebäude aufgenommen werden,[1] offiziell geführt wurde die Adresse von dem bislang im Hauptgebäude der Universität, dem kurfürstlichen Schloss, ansässigen Historischen Seminar seit dem Sommersemester 1971.[2] Bis heute sitzt das Institut mit fünf seiner acht Abteilungen in dem prächtigen neubarocken Verwaltungsgebäude am Rhein.
Passend war der Standort für die Geschichtswissenschaft allemal – trotz der dominanten Bergbausymbolik: Bis zum Neubau des Verwaltungsgebäudes zu Beginn des 20. Jahrhunderts (errichtet 1901-1903) nutzte das Oberbergamt zunächst die Räumlichkeiten des an gleicher Stelle stehenden Mastiaux’schen Hauses. Dies diente wiederum einst einem der letzten Kölner Kurfürsten, Maximilian Franz von Österreich (1756-1801), als Wohnsitz in Schlossnähe. Eben jenen Rheinblick, den schon der Kurfürst schätzte, haben seit 50 Jahren die Studierenden und Mitarbeiter/innen des Instituts für Geschichtswissenschaft und seiner umfangreichen Bibliothek.
2020 jährt sich der Einzug der Historiker/innen in das ehemalige Oberbergamt somit zum 50. Mal und ist damit neben dem 100jährigen Bestehen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (IGL, gegr. 1920) das zweite Jubiläum dieses Jahres für die Bonner Geschichtswissenschaft.
Neue wissenschaftliche Einordnungen und Erkenntnisse über das stattliche Gebäude am Rhein verspricht die kunsthistorische Dissertation von Daniela Bennewitz zu „Neubarocken Verwaltungsgebäude in der ehemaligen Rheinprovinz (1871-1914)“.
[1] General-Anzeiger, 3.4.1970, „Uni-Sofort-Maßnahmen werden verwirklicht. Oberbergamt-Bau strahlt in frischer Farbe“, o.S., Archiv der Universität Bonn, Bestand: Inst. Sprachwiss. 180, Nr. 137″, S. 103 (späterer Randvermerk: „Eine Ente?“). Mit Dank an das Archiv der Universität Bonn. Der Autor dankt Daniela Bennewitz M.A.
[2] Vorlesungsverzeichnis an der Universität Bonn, Sommersemester 1971, S. 199, https://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/periodical/pageview/4427123 [04.11.2020].
Zitierweise:
Bechtold, Jonas: „Glück auf“ – 50 Jahre Bonner Institut für Geschichtswissenschaft in der Konviktstraß, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 16.11.2020, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2020/11/glueck-auf/
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