Köln als Drehscheibe für spanische Agenten

Wer sich einmal der Hegemonialposition der spanischen Krone im groben Zeitraum von 1500 bis 1650 gewidmet hat, wird mehrere Erklärungsansätze für diese Machtstellung anführen können. Neben den klassischen Interpretationsmustern – amerikanische Edelmetalle, effiziente Heeresorganisation, straffe Verwaltungsstrukturen – darf ein Kernbereich frühneuzeitlicher Machtpolitik nicht fehlen: die Diplomatie.

Die Spitzenposition der Katholischen Könige im Fürsteneuropa des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts war gerade auch dem spanischen Informationsvorsprung geschuldet. Aus der Kombination von Finanz– und Informationsfülle ergab sich nicht zuletzt schließlich eine höchst wirksame Propagandamaschinerie. Gerade Spanien maß in der Société des Princes seiner guten Reputation eine erhebliche Bedeutung zu.

Das diplomatische Netz der Katholischen Monarchie hatte sich ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf Standorte des gesamten europäischen Kontinents ausgebreitet. Zu ihnen zählten neben den eigenen Territorien acht permanente Botschaften (London, Paris, Brüssel, Venedig, Wien, Rom, Turin und Genua) und diverse feste Agentensitze. Der Rang eines Agentensitzes kam entweder nicht-katholischen Residenzstädten (Kopenhagen, Den Haag, Hohe Pforte) oder strategisch bedeutsamen Umschlagplätzen für Nachrichten und Handel zu. In diese Gruppe gehören Städte wie Antwerpen, Luzern oder Lyon.

Im Reich genossen die Handelszentren Augsburg und Köln eine besondere Vorrangstellung. An beiden Standorten waren Agenten der spanischen Krone installiert, die unmittelbar der Botschaft in Wien unterstanden. Köln war als Messestadt und Einfallstor für Druckerzeugnisse aus Flandern unabdingbar für das spanische Begehren nach Information. Den Agenten in der rheinischen Hansestadt würde man gleichwohl nicht gerecht, wenn sie auf ihren nachrichtendienstlichen Charakter reduziert würden.

Diesen Umstand reflektiert beispielsweise der Niederländer Thomas Gramaye. In den 1580er Jahren begann er seine Dienstzeit im spanischen Apparat. Seit Beginn seiner Karriere fungierte er kontinuierlich als Musterungskommissar. Gerade in den Westgebieten des Reiches war Spanien auf die Rekrutierung junger Männer aus, die ohne größere Transportkosten gegen die aufständischen Niederländer eingesetzt werden könnten. Neben diesem militärischen Amt oblag ihm in Köln der Reliquienhandel. Beim Besuch der prächtigen Kirche St. Ursula in Köln wird dieser Wirtschaftszweig als bedeutender Faktor für den damaligen Wohlstand der Freien Reichsstadt deutlich: Auf mehrere Stockwerke sind die dortigen Reliquiare verteilt, die reliquiengesäumten Wände der „Knochenkammer“ schaffen endgültige Klarheit. Neben vielen weiteren Devotionalien erwarb Gramaye für König Philipp III. ein Stück des Holzes Christi aus den Händen des Abtes von Mönchengladbach. Nachdem Gramaye 1616 eine vorzeitige Vertragsverlängerung um drei Jahre erhalten hatte, für die der am Kaiserhof tätige Botschafter Baltasar de Zúñiga eigens in Madrid bitten musste, verstarb er frühzeitig im Jahre 1618.

Seine Position nahm einer seiner vorherigen Mitarbeiter ein: der ebenfalls aus den nördlichen Niederlanden geflohene Katholik Gabriel de Roye. De Roye trat 1596 in die Dienste des erzherzoglichen Hofes in Brüssel ein. Nach einer Zeit am spanischen Hof, der für kurze Zeit nach Valladolid verlegt worden war, entsandte ihn der flandrische Armeechef Ambrogio Spínola 1610 nach Köln. Erneut ergibt sich somit ein multipler Aufgabenbereich: Heeresrekrutierung, Reliquienhandel, Informationserwerb und Klientenpflege. Zu den spanischen Klienten in der Rheinmetropole zählten kurkölnische Räte und Domkapitulare – besonders wenn sie episkopabel waren wie beispielsweise Arnold von Buchholz. Die spanische Botschaft in Wien zahlte für den Berater des Erzbischofs Ferdinand von Wittelsbach sogar ein horrendes Lösegeld, um ihn aus protestantischer Gefangenschaft in Halberstadt freizukaufen.

Für de Roye war Köln ein Sprungbrett für eine glänzende Karriere im auswärtigen Dienst der spanischen Krone. Während er als Agent in Köln noch die für seinen Stand übliche multiple Dienstherrenschaft vorwies, band ihn Madrid in der Folgezeit exklusiv an sich. Hierzu bedurfte es zunächst einer Vereinbarung mit Kurfürst Ferdinand und Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, die ebenfalls auf de Royes Dienste zurückgegriffen hatten. Nach diesem Schritt war der niederländische Katholik vielseitig verwendbar: Im Rahmen diplomatischer Missionen finden wir ihn bis in die 1640er Jahre hinein in Hamburg, Kopenhagen, Stockholm und Krakau. Doch schon als Agent mit mehreren Auftraggebern gab der Niederländer keinen Anlass zu Zweifeln an seiner Loyalität: Den spanischen Amtsträgern genügte der Umstand, dass er unbestrittener Katholik war. Für Madrid war der Einsatz für die Kirche zum damaligen Zeitpunkt gleichbedeutend mit einem Einsatz für die iberische Krone.

Köln war zweifellos einer der wichtigsten Agentensitze der Spanier und nahm unter den Reichsstädten gemeinsam mit Augsburg die Führungsrolle ein. Auf der Gehaltsliste der spanischen Botschaft am Kaiserhof befanden sich im Zeitraum bis 1650 mindestens immer zwei Kölner Agenten. Ihre meist niederländische Herkunft ist der notwendigen engen Abstimmung mit dem habsburgischen Hof in Brüssel geschuldet. Die dort ansässigen Erzherzöge beschäftigten gleichwohl auch eigene Mitarbeiter in der rheinischen Handelsmetropole.

 

Zitierweise:
Nagel, Ulrich: “Köln als Drehscheibe für spanische Agenten”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 03.02.2016, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2016/02/koeln-als-drehscheibe-fuer-spanische-agenten-2/

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Kommentar zu “Köln als Drehscheibe für spanische Agenten”

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