Im Juni 2024 wurde die Webseite „The World of Roman Bonn“ veröffentlicht. Das Projekt ist am Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS), einem der Exzellenzcluster der Uni Bonn, angesiedelt und gehört dort zum Bereich Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit („outreach“). Seit zwei Jahren wird am BCDSS für Kolleg*innen, Gastwissenschaftler*innen und Interessierte vom Team um Prof. Julia Hillner eine Stadtführung durch das römische Bonn – aufgrund des internationalen Kollegiums – auf Englisch angeboten. Die „Tour of Roman Bonn“ basiert auf der deutschen kostenfreien Führung zum römischen Bonn, die ehrenamtlich von Doktorand*innen der Alten Geschichte im Auftrag des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande durchgeführt wird.
Der Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande
Der Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande wurde am 1. Oktober 1841 gegründet, um „für die Erhaltung, Bekanntmachung und Erklärung geschichtlicher Denkmäler aller Art, insbesondere solcher aus dem Altertum und Mittelalter, in dem Stromgebiet des Rheines Sorge zu tragen und ein lebhafteres Interesse dafür zu verbreiten“.[1] Er arbeitet bereits seit der Mitte des 19. Jahrhundert eng mit dem LVR-LandesMuseum Bonn (heutige Bezeichnung) zusammen, finanziert dessen Neuerwerbungen mit, lädt zu öffentlichen Vorträgen über archäologische, althistorische und kunstgeschichtliche Themen ein, führt gemeinsam mit dem Museum eine Bibliothek, die mit lokalgeschichtlicher Literatur der Rheinlande reich bestückt ist, und gibt zusammen mit dem LVR-Landesmuseum Bonn und dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland die Bonner Jahrbücher heraus, von denen ein Großteil im digitalen Archiv abrufbar ist. Der Verein, das Museum sowie das Amt für Bodendenkmalpflege sind wichtige Säulen für die Bewahrung und Pflege des antiken Erbes der Stadt Bonn.
„Man muss nur wissen, wo“ – Verstecktes Weltkulturerbe
Doch nicht nur in den Ausstellungsräumen, Archiven oder Depots kann dieses Erbe eingesehen werden, sondern oftmals auch vor Ort an zahlreichen Stellen im Stadtgebiet. Bedauerlicherweise sind diese Zeugnisse 2000 Jahre alter Bonner und Rheinischer Geschichte meist nur unzureichend ausgeschildert, bedürfen dringend einer Restauration oder sind nur mit spärlich betexteten oder schlecht lesbaren Informationstafeln ausgestattet. Ohne fachkundige Begleitung lohnt sich ein spontaner Besuch also oftmals nicht.
Seit 2021 gehört der Bonner Grenzabschnitt des Römischen Reiches aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. außerdem zum UNESCO Welterbe, doch nur langsam wird dies aus oben genannten Gründen im Stadtbild sichtbar. Ein entscheidender Schritt war die Erstellung der Präsentationsfläche ‚Didinkirica‘ an der Graurheindorfer Straße Ecke Rosental, umgesetzt durch Mitarbeiter*innen der Stadt Bonn (Bonn Information), des LVR-Amts für Bodendenkmalpflege im Rheinland sowie des LVR-LandesMuseums. Bedauerlicherweise wurde der Zugang zu anderen Orten, die an die römische Vergangenheit Bonns erinnern, der Öffentlichkeit unzugänglich gemacht (der General-Anzeiger berichtete). Vor diesem Hintergrund könnte man sich die Frage stellen, ob Vorhandenes nicht zunächst restauriert und zum Zentrum der Aufmerksamkeit hätte gemacht werden sollen, bevor man einen weiteren pflegeintensiven Ausstellungsort schuf.
Aufbau der Webseite
In der deutschsprachigen wie auch in der englischsprachigen Führung werden Teilnehmer*innen jene oben genannten, meist eher versteckten Orte römischer Vergangenheit gezeigt und in einen historischen Kontext gesetzt. Die ‚The World of Roman Bonn‘-Webseite soll diesen Auftrag nun digital erfüllen.
Die Webseite bietet neben einem Titelbild, das sogleich den Blick fesseln soll, und einer kurzen Begrüßung samt Inhaltsverzeichnis (mit direkter Verlinkung zu den jeweiligen Kapiteln/Abschnitten) zunächst einen historischen Überblick über die Besiedlungsentwicklung Bonns zu römischer Zeit. Daran schließt sich eine tabellarische Übersicht der Ereignisse an.
Die Leser*innenschaft wird nicht nur chronologisch über die Ereignisse informiert, sondern auch sozialhistorisch über die Zusammensetzung der im rheinländischen Bonn lebenden Menschen der römischen Vergangenheit unterrichtet. Neben den anfänglich stationierten Auxiliareinheiten, leisteten später römische Soldaten (Männer mit römischen Bürgerrecht) ihre Dienstjahre im Bonner Legionslager ab. Sie gehörten überwiegend zur Bonner ‚Hauslegion‘, der legio I (prima) Minervia (pia fidelis), die für beachtliche 200 Jahre in Bonn stationiert war.
Einheimische und Zugezogene, sowie Händler und Reisende wohnten gemeinsam im Dorf (vicus) im Bereich der heutigen Museumsmeile oder in der Lagervorstadt (canabae legionis), das sein Zentrum nahe des heutigen Stiftsplatzes hatte. Als Diener*innen des Kommandanten oder zum Anfeuern der zivilen Badeanlage werden auch zahlreiche Sklav*innen in Bonna[2] gelebt und gearbeitet haben. Ihre Anwesenheit wird durch epigraphische Zeugnisse belegt, die auch auf der Webseite aufgeführt werden und an den entsprechenden Stellen im Fließtext per Direktverlinkung eingebunden sind.[3]
Um die fachlichen Inhalte aufzuarbeiten, waren einige Wissenschaftler*innen des BCDSS an dem Projekt beteiligt. Sie konnten ihre Expertise aus unterschiedlichen Bereichen der Antikenforschung (Militär-, Kult-, Geschlechter-, Zuwanderungs- und Sozialgeschichte, sowie Epigraphik und Archäologie) einbringen. Zur optischen Aufbereitung bedurfte es vertiefter EDV Kenntnisse (im CMS System der Universität) und ein fachkundiges PR-Team, das zur Bekanntmachung desselben beitrug.
Die Karte
Ein Baustein der Webseite wurde hier noch nicht erwähnt. Sie sticht besonders mit ihrer Anwendbarkeit hervor: Die interaktive Karte. Sie ist in die Webseite eingebettet und bezieht ihre Daten von OpenStreetMap. Die Stecknadeln können von den Webseiten-Administrator*innen selbst punktgenau auf den Stadtplan gesetzt werden. Beim Anklicken einer der insgesamt 30 Stecknadeln erscheint eine kleine Info-Box mit den wichtigsten Informationen über den markierten Ort. Der Link ‚Click here for more information‘ öffnet einen neuen Tab, in dem die User nun mehr über den ausgewählten archäologischen Fundort oder die ausgestellten Repliken nachlesen kann. Diese Kurzbeschreibungen wurden außerdem mit Bildmaterial ergänzt.
Die gesamte Karte ist auch auf mobilen Endgeräten abrufbar, wobei besonders auf eine gute Lesbarkeit geachtet wurde. Damit können Besucher*innen der Webseite nicht nur vor ihrem heimischen Computer die Welt des römischen Bonn erleben, sondern auch direkt an Ort und Stelle.
Das Bildmaterial, das neben den weiterführenden Kurzbeschreibungen dargestellt wird, wurde größtenteils von den Projektbeteiligten selbst vor Ort aufgenommen, sodass direkt überprüft werden kann, ob man sich an der richtigen Stelle befindet. Mithilfe der Karte konnten nun jene ‚unsichtbaren‘ Orte der Vergangenheit sichtbar und für die Besucher*innen der Webseite erfahrbar gemacht werden. Das Erlebnis dort zu stehen, wo die Römer einst Handel betrieben, ihren Gottheiten huldigten, badeten, lebten und starben, lässt die Geschichte zum greifbaren Erlebnis werden. Darüber hinaus können Nutzer*innen über die Karte und die Begehung vor Ort einen nachhaltigen Eindruck über die Dimension der Bonner Besiedlung gewinnen.
Adaptivität
Im Gegensatz zu etwa einer fest platzierten Infotafel bietet die Webseite den Vorteil mit nur wenig Aufwand Änderungen durchzuführen zu können. Dabei sind weniger die archäologischen Funde gemeint, deren Interpretation sich höchstens noch durch aktuelle Forschungsdebatten verändert, sondern vielmehr neue Funde, die auf der Karte, im Fließtext oder im Bereich der Transkriptionen problemlos und schnell ergänzt werden können. Auch Bildmaterial, dessen Beschaffung meist eher zeit- als kostenintensiv ist, kann noch im Nachhinein ergänzt werden und belegt damit den Vorteil gegenüber Printmedien. Der langfristige Betrieb der Website wird durch die Universität Bonn gewährleistet.
[1] Satzung des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande – gegründet 1841 (Neufassung der Satzung – Präambel, § 1 und § 2 – durch die Mitgliederversammlung am 18. April 2002), Präambel (abgerufen von der der Vereinshomepage am 15.08.2024: https://www.av-rheinland.de/index.php/der-verein/satzung/)
[2] Florus Epitome II 26 hier allerdings Borma, Tacitus Hist. IV 20 castra Bonnensis.
[3] Wie etwa die Grabinschrift der Sklaven des Decimus Ammaeus (CIL XIII 8108) und der Euthenia (AE 1963, 51 = 1978, 572), aufgestellt von ihrem Lebensgefährten. Da Unfreie keine Ehe eingehen durften, wird hier der Begriff contubernalis anstelle von coniunx oder uxor verwendet.
Zitierweise:
Keller, Maja E.: World of Roman Bonn. Ein digitales und interaktives Projekt zum antiken Erbe der Stadt Bonn, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 18.10.2024, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2024/10/world-of-roman-bonn