Der Kanzler und die Kunst – Konrad Adenauers Privatsammlung Ein Interview mit Konrad Adenauer

Konrad Adenauer (r.) mit Heinz Kisters (l.) bei der Betrachtung eines Kunstwerks in Adenauers Privathaus, Rhöndorf, Fotograf: H.W. Strupp

Die große Leidenschaft Konrad Adenauers abseits der Politik war die Kunst. Mit ihr beschäftigte sich der erste Bundeskanzler Deutschlands und langjährige Kölner Oberbürgermeister bevorzugt abseits des öffentlichen Scheinwerferlichts: In seinem Haus in Rhöndorf umgab er sich mit einer umfassenden Privatsammlung aus zahlreichen Gemälden. Mit großer Begeisterung widmete er sich seinen Kunstwerken, wog sorgsam ihre Platzierung im Raum ab oder tüftelte an der perfekten Ausleuchtung, die teilweise noch heute im Haus zu sehen ist. Zu seinen Schmuckstücken gehörten Werke, die bedeutenden Malern wie Raffael, Cranach, El Greco oder Adenauers Lieblingsmaler Tizian zugeschrieben wurden – nicht immer zutreffend, wie sich nach seinem Tod herausstellte. Über Adenauers kaum bekanntes „Hobby“ des Kunstsammelns, seine Expertise und die lange Geschichte der Privatsammlung sprachen Histrhen-Herausgeber Jochen Hermel und Jonas Bechtold mit dem Adenauer-Enkel Konrad Adenauer im Adenauer-Haus in Rhöndorf.

 

Histrhen: Herr Adenauer, Ihr Großvater und die Kunst – was bedeutet Ihnen dieses Thema?

Konrad Adenauer: Man könnte zum einen fragen, was Adenauer für Kunst und Museen in Köln getan hat, oder wie er in der Kunst dargestellt wird, zum anderen aber, was und wie er selbst gesammelt hat. Mich interessiert vor allem der dritte Punkt, die eigene Kunstsammlung meines Großvaters.

H: Dazu forschen Sie seit vielen Jahren. Was brachte sie dazu und welches Verhältnis haben Sie zu dieser Sammlung?

Konrad Adenauer im Speisesaal des Adenauerhauses in Rhöndorf. Im Hintergund: Das Porträt Daniel Schillings, Foto: Histrhen

KA: Mich führten zwei Wege zur Sammlung meines Großvaters, ein juristischer und ein kunsthistorischer: Im Esszimmer des Hauses hängen seit jeher zwei meiner Lieblingsstücke aus der Sammlung: Das Porträt eines kurkölnischen Amtsträgers aus dem Dreißigjährigen Krieg, Daniel Schilling, und das Porträt seiner Frau, beide gemalt vom protestantischen Maler Gottfried von Wedig. Ich hatte die Bilder einer Kunsthistorikerin zur Begutachtung gegeben, die über Wedig eine Ausstellung kuratierte und einiges über diese Gemälde herausfinden konnte.[1] Sie hat die Gemälde tatsächlich Gottfried von Wedig zugeschrieben. Ich habe mich damals sehr gefreut, einen Beitrag zu dieser Forschung leisten zu können. So kam dann das Interesse an der Erforschung der Kunstsammlung auf.

H: Und Ihr juristischer Weg zur Sammlung?

KA: Die Sammlung hat eine bewegte Geschichte, die unter anderem in den 1970er Jahren in Gerichtsprozessen verlief [siehe unten, Anm. d. Red.]. Ich habe damals meinen Vater, den ältesten Sohn des Bundeskanzlers, in der juristischen Auseinandersetzung um die Sammlung begleitet und ihm assistiert. Daher waren mir von damals noch die Unterlagen bekannt. Diese Listen, Inventare und Korrespondenzen dienen mir heute nicht mehr als Gerichtsakten, sondern als Quellen.

H: Und wie kam Ihr Großvater, Konrad Adenauer, zum Kunstsammeln?

KA: Ein Kunstsammler wurde mein Großvater erst in seiner Zeit als Bundeskanzler. Aus dieser Zeit stammten die meisten Zuwächse seiner Sammlung. Vorher hat er nur wenig gesammelt. Doch als Kölner Oberbürgermeister kaufte er einmal ein Bild bei Karl Haberstock in Berlin, dem späteren Kunsthändler Hitlers. Es war das sogenannte „Salzburger Bild“ mit der Kreuztragungs-Szene. Ein frühes italienisches Bild mit einer Kreuzigung haben wir nach seinem Tod auf den Totenzettel gedruckt.

H: Wie würden Sie die Sammlung Ihres Großvaters charakterisieren?

Aus der Ausstellung der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Foto: Histrhen

KA: Die Kunstsammlung meines Großvaters war eine reine Privatsammlung, die nur bei ihm zu Hause in Rhöndorf hing und eigentlich von niemandem als ihm selbst „genutzt“ wurde. In der Qualität war die Sammlung sehr heterogen: Es gab kostbare Gemälde, bis hin zu Gemälden deren Zuschreibung bspw. an Rembrandt noch zu klären wären. Aber es gab auch sehr einfache Objekte, die kunsthistorisch kein weiteres Interesse auf sich zogen und ziehen würden. Im Schlafzimmer beispielsweise hängen Bilder, die ihm sehr wichtig waren, wie Porträts seiner Eltern oder ein sogenannter Gnadenstuhl. Aber zugleich hingen dort auch andere, ganz einfache Malereien oder Fotografien. Es gab also eine Bandbreite vom Original-Cranach über vermeintliche Tiziane oder Raffaels bis hin zu ganz einfachen Werken.

H: Wie würden Sie den Kunstgeschmack des Bundeskanzlers in dieser Sammlung beschreiben?

KA: Die Sammlung meines Großvaters bestand fast ausschließlich aus religiösen Motiven Alter Meister. Für ihn hatte die Betrachtung von Kunst einen spirituellen Zweck. Er war kein Sammler von Gegenwartskunst und hat sich ausschließlich für die Kunst bis vor den Barock begeistert. Dem Zeitgeist hat er sicher nicht gehuldigt, was seine private Sammlung betraf. Mit Impressionismus oder Expressionismus hatte er nichts am Hut. Er besaß viele Bücher über Kunst und Kunstgeschichte und beschäftigte sich gerne mit ihnen. Er war aber in dieser Hinsicht aber kein homme de lettre.

H: Dieser „spirituelle Zweck“ der Sammlung, woran zeigt der sich Ihnen?

KA: Mein Großvater verbrachte häufig seine Freizeit mit den Bildern. Er hängte sie auch immer wieder um und fand neue Plätze für sie ihm Haus. Wenn ihm eines nicht mehr gefiel, gab er es auch wieder her. Eine Zeit lang besaß er ein Triptychon von Lukas Cranach. Doch auf dem Bild – so meinte er – war ihm die Darstellung der Muttergottes „zu protestantisch“. Also gab er es wieder zurück.

H: Wirkte sich dieser private Geschmack auch auf seine kunstpolitischen Entscheidungen als Kölner OB aus?

KA: Nein, in Köln hat er zu seiner Zeit alle machen lassen. Politisch hat er viel gefördert, man denke nur an die Kölner Werkschulen oder das Revirement in den Kölner Museen. Wie er in Köln mit Kunst umging und sich dafür einsetzte, war nicht auf den eigenen Geschmack begrenzt. Untersuchungen gibt es dazu aber dennoch kaum.

H: Wie kam Adenauer an die Bilder seiner Sammlung? Woraus setzt sich diese zusammen?

KA: Im Wesentlichen gibt es drei Provenienzen: Zunächst bestand seine private Sammlung aus den Resten der Sammlung seiner Schwiegereltern bzw. Schwiegergroßeltern, der Familie Weyer in Köln. Aus der Sammlung Weyer hatte er einige Gemälde geerbt, die nicht im 19 Jahrhundert versteigert worden waren. Dann erhielt er einige Kunstwerke als Geschenke. Den Großteil der Sammlung bekam er aber von einem Kunstvermittler namens Heinz Kisters, einem gebürtigen Kölner, mit dem er regelmäßig Kunstwerke tauschte und so seine Sammlung stetig veränderte.

H: Und die Bilder aus der Sammlung Weyer befanden sich durchgehend im Besitz Adenauers?

KA: Ja, sie hängen noch heute im Haus. Zum Beispiel das Bildnis des englischen Königs Karl I. nach van Dyck, das im Salon hängt, stammte aus der Weyer-Sammlung, dem Erbe seiner ersten Frau. Weitere Gemälde, die sogenannten „Rembrandts“ hängen im Arbeitszimmer.

H: Und welche Gemälde wurden Adenauer geschenkt?

Konrad Adenauer vor den selbstgemalten Bildern Churchills und Eisenhowers, Foto: Histrhen

KA: Dazu gehören zum Beispiel zwei Gemälde von eigener Hand, die ihm Winston Churchill und Dwight D. Eisenhower schenkten. Churchill war ja ein bekannter Hobbymaler, Eisenhower weniger bekannt. Mein Großvater besaß noch ein weiteres Bild von Eisenhower: Ein Porträt Abraham Lincolns.[2] Über die Qualität der beiden geschenkten Bilder lässt sich aber sicherlich streiten.

H: Hat Ihr Großvater auch selbst gemalt?

KA: Nein, das hat er nicht.

H: Die meisten Bilder aber – so sagten Sie – kamen durch den Kontakt zu Heinz Kisters. Kisters veröffentlichte ja 1970, drei Jahre nach Adenauers Tod, einen Bildband, in dem er die Sammlung des Bundeskanzlers vorstellte.[3] Liest man die sehr persönlich gehaltene Einleitung von Kisters zu diesem Buch, gewinnt man ja den Eindruck eines engen Verhältnisses der beiden. Schrieb Kisters das ganz bewusst, um sich als Vertrauter des Bundeskanzlers zu stilisieren?

KA: Kisters war zugleich Hauptlieferant und Hauptabnehmer der Bilder für und von Adenauer – die beiden tauschten ständig Bilder. Eigentlich war Kisters Hochfrequenztechniker und hatte nach dem Krieg und ersten Schritten als Unternehmer mit der Kunstsammlung begonnen. Meinem Großvater wurde er empfohlen, als dieser schon Kanzler war. Und die beiden verstanden sich tatsächlich sehr gut, hatten viele gemeinsame Interessen, über die sie sich austauschten. Mühsamer wurde das Verhältnis mit der Familie erst nach Adenauers Tod. Aber für den Bundeskanzler definierte sich Kisters als Freund und Partner, nicht als Händler, den man bestellt oder abbestellt. Das Verhältnis der beiden spiegelt das durchaus wider.

Konrad Adenauer installierte Strahler über den Fenstern, um seine Sammlungsstücke optimal auszuleuchten, Foto: Histrhen

H: Wie hat sich dann Adenauer in Kunstbereich bezeichnet? Hat er für sich Expertise beansprucht?

KA: Wohl eher als Liebhaber oder Sammler. Wenn er auf Reisen in Städte kam, ist er auch sehr gerne in die Museen gegangen, z.B. in New York oder Madrid. Jeder Hauptstadtbesuch war mit einem Museumbesuch verbunden. Natürlich erhielt er dann besondere Führungen. Dass Adenauer mit Kunst etwas anzufangen wusste, war durchaus bekannt. Gelegentlich war in der Berichterstattung vom „Kunstkenner Adenauer“ die Rede. Er selbst hat sich aber nicht eingebildet, Experte zu sein, und gab auch keine Urteile über anderer Leute Bilder oder Sammlungen ab. Über seine eigene Sammlung sprach er öffentlich nicht – das war vor allem ein Thema für die Familie.

H: Sie selbst haben die Kunstsammlung also auch in diesem Haus kennen gelernt?

Die von Adenauer installierten Strahler zur Beleuchtung der Gemälde, Foto: Histrhen

KA: Ja. Ich erinnere mich, dass immer wieder neue Bilder im Haus hingen, wenn wir zu Besuch kamen. Dann hieß es oft einfach nur, „der Kisters“ sei wieder da gewesen. Uns Enkeln hat mein im Hause wohnender Onkel Paul dann sehr gerne etwas über die neuen Bilder erzählt. Die Sammlung war eben eine Familiensache.

H: Aber, wenn jemand dem Kanzler einen Gefallen machen wollte, wusste man durchaus von Adenauers Geschmack?

KA: Ja genau, und Kisters galt als Ansprechpartner! Wenn also jemand dem Kanzler etwas schenken wollte, suchte man Rat bei Herrn Kisters. Kisters half dabei gerne, aber er legte immer Wert darauf, dass er Berater, aber nicht Kunsthändler sei. Er wollte auf Augenhöhe als Sammler und Partner dastehen und nicht als gieriger Händler, der mit dem Bundeskanzler Gewinn mache. Er wollte wie ein Freund sein. Darum wurde auch nie gekauft, sondern nur getauscht.

H: Getauscht?

KA: Die Sammlung entstand nicht, weil Adenauer ein großes Vermögen gehabt hätte, um sie zu kaufen, sondern Quantität und Qualität veränderten sich durch Tausch. Für Gemälde, die Adenauer nahm, gab er welche an Kisters zurück.

H: Und wie kam es zu diesen Tauschen?

KA: Die Tauschverhandlungen waren sehr hart, das ergibt sich auch aus den mir vorliegenden Korrespondenzen Adenauers mit Kisters. Es wurden lange, manchmal hektische Briefe geschrieben, der Bundeskanzler kam manchmal gerade erst von Reisen zurück. Wenn Kisters neue Gemälde brachte, schaute sich Adenauer diese immer gründlich an. Jedem Tausch ging eine lange Korrespondenz voraus. Adenauer achtete sehr auf den ihm abschätzbaren Wert der Bilder und listete die Transaktionen genau auf. Wenn er sich im Ungleichgewicht wähnte, wies er Kisters deutlich darauf hin. Es freute ihn als Nicht-Händler aber auch sehr, wenn er mit seinen Bildern gegenüber Kisters einen Vorteil abgetrotzt hatte.

H: Wenn Adenauer kontinuierlich an Kisters schrieb, beschäftigte ihn seine Kunstsammlung ja auch immer parallel zur Politik der 1950er und 60er Jahre. Schlägt sich das in der Kunst-Korrespondenz nieder? Sehen Sie hier Verbindungen?

KA: Wenn ich die Korrespondenz meines Großvaters lese, bin ich immer wieder erstaunt, dass er auch in Krisenzeiten wie während des Aufstand in Polen und Ungarn oder der Suezkrise 1956 die Nerven hatte, in seinen Kunstbelangen zu schreiben. Er hat permanent darüber nachgedacht und ständig mit Kisters geschrieben und nach neuen Bildern gefragt. Der kam dann immer wieder vorbei und stellte neue Bilder vor. Die Bilder wurden dann häufig in München restauriert und neu gerahmt. Über diese Vorgänge handelt die Korrespondenz zwischen den beiden auch.

Ab und zu wurden Abrechnungen vorgenommen. Das war ein zeitintensives Hobby, eine Ablenkung von der Politik. Heute lenken sich viele vom Stress durch Joggen oder Schwimmen ab, für Adenauer war das seine Kunstsammlung. Ihr widmete er sich zur Ablenkung, hier fand er seine eigene Freude. Er war kein Sportler, für ihn war das die Entspannung: abends Musik zu hören und seine Sammlung zu betrachten, Bilder umzuhängen und Strahler zu installieren.

H: Kennen Sie aus der Korrespondenz Situationen, dass er sich aus politischen Gründen nicht mit der Kunst beschäftigen konnte?

KA: Nein, das kam eigentlich nicht vor.

H: Nach dem Tod Ihres Großvaters kam Ihre Familie aber in einen langen Rechtstreit mit dem Kunsthändler Kisters?

KA: Mein Vater hat Kisters nie vertraut. Er galt bei den Adenauers als eine graue, aber undurchsichtige Eminenz. Kisters, das war in der Familie wie ein Geheimname: „Der Kisters war wieder da“, hieß es dann. Niemand wusste so richtig, was dahintersteckte, aber alle wussten, dass es für meinen Großvater hohe Bedeutung hatte. Er war eine Art Mythos. Kisters geisterte durch die Gespräche, aber was die beiden abmachten, wusste niemand. Skepsis war auf Seiten der Kinder immer vorhanden. Nach dem Tod bestätigte sich diese Skepsis.

H: Inwiefern?

KA: Woher die Bilder mit den großen Namen kamen, konnten sich die Kinder gar nicht erklären. Wie sollte sich der Bundeskanzler so viele Alte Meister leisten? Nach dem Tod meines Großvaters bestätigte sich diese Skepsis.

H: Das heißt, Adenauers Tiziane und Raffaels waren nicht echt? War er Fälschungen aufgesessen?

KA: So scharf lässt es sich nicht sagen. Aber den gedachten Wert hatten sie nach den ersten Begutachtungen nicht. Nach dem Tod meines Großvaters wurde sein Nachlass von meiner Familie in eine Stiftung überführt, und in diesem Zuge sollten auch die Kunstobjekte geschätzt werden. Die Bilder wurden von Kisters immer hoch zugeschrieben, an Raffael oder Tizian; das wurde geprüft. Die Gutachter senkten über die Echtheit und Authentizität der Bilder aus Adenauers Sammlung aber rasch den Daumen. Im Todesjahr haben die Kinder zwei Experten aus Zürich kommen lassen, um die Gemäldesammlung zu begutachten. Deren Einschätzung über die Zuschreibungen war sehr kritisch. Auch andere Gutachter schlossen sich der Einschätzung an, da die Bilder ihrer Ansicht nach nicht aus der Zeit oder nicht von ihnen stammten.

Daraufhin entschieden sich Adenauers Kinder, darunter mein Vater, sich mit den Befunden an Kisters zu wenden und verhandelten einen Rückkaufpreis von 950.000 D-Mark für 19 Bilder. Für Meister wie Raffael und Tizian wäre das zu wenig gewesen – für einfache Imitate zu viel. Kisters kaufte diese Werke zurück und vereinbarte mit der Familie Adenauer ein zweijähriges Schweigeabkommen. Jedoch kam es nach Ablauf der Frist zu einer brisanten Veröffentlichung in der Zeitung „Capital“: Im Mai 1969 erwähnte ein nur kleiner Artikel „Alte Meister frisch eingetroffen“ Kisters und Adenauers Sammlung. Kisters sah sich dann – auch in einem parallelen Fall um ein vermeintliches Rubens-Gemälde für die Stadt Siegen – angegriffen und es kam zu einem Prozess über die Echtheit der Bilder, der sich bis 1976 hinzog.

H: Aber in genau dieser Zeit, um 1970, veröffentlichte doch Kisters auch sein eigenes Buch über die Kunstsammlung Adenauers?

KA: Kisters hatte geglaubt, die Familie Adenauer hätte den Artikel lanciert und den Prozess damit herbeigeführt und war aufgebracht. Um sein Renommee zu schützen, hat Kisters zur gleichen Zeit das Buch veröffentlicht. Darin drückt er seine Dankbarkeit und Verehrung zu meinem Großvater aus und zeichnet ganz bewusst ein enges Verhältnis zwischen sich und dem Bundeskanzler. Er wollte sich damit nicht zuletzt von den Vorwürfen reinigen.

H: Und konnte er das?

KA: Ja, im Prozess konnte Kisters sich reinwaschen. Das Gericht hatte neue forensische Gutachten beauftragt, die herausfanden, dass unter den oberen Schichten doch ältere Farbpigmente lagen, die durchaus in die von Kisters veranschlagte Entstehungszeiten gepasst hätten. Das Gericht hat dann jedes Bild einzeln beurteilt. Im Ergebnis handelte es sich zwar um echte Bilder aus der Zeit, die allerdings höher zugeschrieben wurden. Das war – auch für das Gericht – im Kunstmarkt üblich und erlaubt. Das Gericht sah daher die hohen Zuschreibungen an die großen Namen wie Tizian und Raffael bzw. ihre Werkstatt, ihre Schule oder ihren Umkreis als zulässig an. So konnte sich Kisters vor Gericht moralisch rehabilitieren.

H: Aber was geschah mit der Sammlung Adenauers nach dem Rückverkauf an Kisters?

KA: Kisters brachte die Bilder zunächst zu sich in die Schweiz und verkaufte sie zum Teil weiter. Es gab Versteigerungen in London und Luzern, bei der zahlreiche Bilder verkauft wurden. Das Cranach-Bild, das mein Großvater Kisters zurückgetauscht hatte, da es ihm zu protestantisch war, wurde später für eine hohe Summe versteigert, wie auch andere Bilder. Wert besaß die Sammlung also in jedem Fall, wenn auch nicht alle werthaltigen Bilder zum selben Zeitpunkt in Adenauers Besitz waren.

H: Aber heute ist die Sammlung also auf verschiedene Besitzer verteilt?

KA: Ja, insofern ist die Sammlung heute aufgelöst und an viele Einzelbesitzer verteilt. Manche sind aber noch heute im Besitz von Kisters Sohn. Ich war einmal dort und sah sie – als alte Bekannte erkenne ich sie ja gleich wieder.

H: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Adenauer!

 

Konrad Adenauer, geb. 9.1.1945, ist Jurist und engagiert sich u.a. als Vorsitzender des Vorstandes der Kölner HUG und im Vorstand der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Parallel arbeitet er an einer wissenschaftlichen Publikation zur Kunstsammlung seines Großvaters.

Mit Dank an die Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf.

 


[1] Vgl. Anke Repp-Eckert/Ekkehard Mai (Hrsg.): Gottfried von Wedig, 1583 – 1641, Stillleben und Porträts. Ausstellung in Köln, Wallraf-Richartz-Museum und in Darmstadt, Hessisches Landesmuseum 1998/99, Köln 1998.

[2] Das Bild ist heute in der Dauerausstellung der Stiftung Bundeskanzler Adenauerhaus in Rhöndorf zu sehen.

[3] Vgl. Heinz Kisters: Adenauer als Kunstsammler, München 1970.

 

Zitierweise:
Bechtold, Jonas/Hermel, Jochen: Der Kanzler und die Kunst – Konrad Adenauers Privatsammlung. Ein Interview mit Konrad Adenauer, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 13.05.2019, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2019/05/der-kanzler-und-die-kunst/


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Die Redaktion

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