Die Tagung ist vorbei und es ist Zeit, Resümee zu ziehen. Während der Tagung war die Wand der Fragen ein zentrales Element, das uns helfen sollte, Forschungslücken aufzudecken und neue Perspektive aufzuzeigen. Dabei richtete sich die Wand der Fragen gezielt an ein breites Publikum, das seine Fragen vor Ort aber auch über Facebook und Twitter stellen konnte, um so den fachwissenschaftlichen Diskurs zu weiten. Dies ist weitgehend gelungen, gerade über Twitter kamen wiederholt Fragen. Unser Social Media-Team hat auf Basis der Diskussionen versucht, diese sobald wie möglich zu beantworten. Die Moderatorinnen und Moderatoren wiederum griffen die Fragen auf und integrierten sie in die Diskussion.
Der Blick auf die Wand der Fragen zeigt, dass insbesondere zwei Bereiche weiterer Forschung bedürfen, gerade wenn es darum gehen soll, zu klären, warum Friedenschließen so schwer ist. Wiederholt finden sich Fragen nach alltagsgeschichtlichen Phänomenen, wie Ehefrauen und Familien, Haus- und Nutztieren, städtischen Akteuren, wie Händlern, Ärzten, Prostituierten, aber auch nach den Faktoren Krankheit und Freundschaft/Feindschaft.
Zum Teil wurden diese Aspekte dezidiert in den Vorträgen aufgegriffen: Maria-Elisabeth Brunert widmete sich den Ehefrauen der Gesandten und deren Rolle als Intervenientinnen. Lena Oetzel untersuchte die Bedeutung von Krankheitsdiskursen für die diplomatische Kommunikation. Die Wand der Fragen und die Diskussion haben aber gezeigt, dass hier erst an der Oberfläche gekratzt wurde. Gerade die Verzahnung von Stadt- und Kongressgesellschaft ist noch nicht ausreichend untersucht.[1] Viel stärker muss die Frage gestellt werden, inwiefern alltagsgeschichtliche Phänomene mit dem Funktionieren des Kongresses zusammenhängen. Hierzu sollte auch intensiver kongressvergleichend gearbeitet werden, wie eine Frage mit Blick auf Krankheiten anmerkt. Für die Forschung heißt dies, dass wir einer engeren Verzahnung von Alltags- und Politikgeschichte bedürfen.
Ein weiteres klares Signal der Wand der Fragen ist die Notwendigkeit einer stärker interdisziplinären Arbeitsweise, insbesondere zwischen Geschichtswissenschaft und Linguistik. Das hierin liegende Potential deutete bereits Sandra Müller in ihrem Vortrag zur Edition der Acta Pacis Westphalicae aus sprachwissenschaftlicher Perspektive an, doch geht die Frage nach einer gemeinsamen, sich über den Verhandlungszeitraum entwickelnden Gesandtensprache deutlich hierüber hinaus. Letztlich ist auch sie Teil einer alltagsgeschichtlichen Perspektive auf den Kongress. Dabei stößt die Frage in Richtung des Beitrags von Magnus Ferber, der von einer Gemeinschaft – zumindest der Kaiserlichen und der reichsständischen Gesandten – spricht, die durch den gemeinsamen Friedenswillen geeint seien. Die Expertise der Linguistik könnte hier eine große Bereicherung darstellen.
Wenn wir die Frage beantworten wollen, warum Friedenschließen so schwer ist bzw. ob Friedenschließen eine Kunst ist, müssen wir viel stärker in die Alltagsgeschichte eindringen und dabei nicht vor disziplinären Grenzen haltmachen. Die Wand der Fragen hat gezeigt, dass zudem der Austausch zwischen Fachdiskussion und Öffentlichkeit in der Lage ist, die Debatte zu beleben und Forschungslücken aufzuzeigen. Mehr noch, will die Geschichtswissenschaft einen gesellschaftlichen Beitrag – jenseits der sehr wichtigen Grundlagenforschung! – leisten, ist es unerlässlich, dass sie sich für die Fragen von einer breiteren Öffentlichkeit öffnet. Gewinnbringend ist dies für beide Seiten!
[1] Erste Ansätze bei: Christian Windler (Hrsg.): Kongressorte der Frühen Neuzeit im europäischen Vergleich – der Friede von Baden (1714), Köln Weimar Wien 2016.
Zitierweise:
Goetze, Dorothée/Oetzel, Lena: “Die Wand der Fragen – Forschungsdesiderate zum Westfälischen Friedenskongress”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 13.09.2017, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2017/09/wand-der-fragen/
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