Sonntagsdienst als Dienst am Kunden. So hört man es jüngst – zunächst (?) noch vereinzelt – auch in Archivkreisen.Schauen wir uns die rheinische Archivlandschaft jedoch einmal näher an, stellen wir fest, dass zahlreiche Archive selbst unter der Woche, also von Montag bis Freitag, nicht durchgehend geöffnet haben. Allein das können viele Archive mit ihren begrenzten Ressourcen nicht gewährleisten. Selbst Archive größerer Städte haben mitunter nur an drei oder zwei Werktagen geöffnet – und selbst das manchmal nur eingeschränkt.
Als Vorbild dient den Überlegungen ein Positionspapier des VBNW, das mit dem Fazit schließt:
“Mit einem begrenzten Aufwand können die Öffentlichen Bibliotheken an den Sonntagen ihre Räumlichkeiten und Medienbestände für eine breite Kundengruppe zur Verfügung stellen. Dieses attraktive Angebot könnte auch ein Weg sein, die Rückgänge der Besucherzahlen zu kompensieren, neue Kunden dazu zu gewinnen und dem modernen Zeitgeist ein Stück näher zu kommen.”
Ist dieser Befund – falls er denn für den Bibliotheksbereich zutreffen sollte – ohne Abstriche auf die Archive zu übertragen? Und v. a. auch in die Tat umzusetzen? Und falls ja: Wollen die Archive das? Oder müssen sie es sogar wollen? Dies gilt es zu diskutieren – auf Archiv- wie auch auf Nutzerseite.
Positionspapier des Verbandes der Bibliotheken des Landes Nordrhein–Westfalen e.V. (vbnw) an die Landesregierung – Zur Sonntagsöffnung in Bibliotheken (abgerufen am 26.07.2022 – Aktualisierung durch die Redaktion)
Zitierweise:
Schlemmer, Martin: “Archive auch sonntags öffnen?”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 29.06.2016, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2016/06/archive-auch-sonntags-oeffnen/
- „Die jüdische Perspektive auf Restitution“ Bericht zum Vortrag von Dr. Inna Goudz am 5. Dezember 2023 im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Standort Duisburg - 12. Januar 2024
- Impulse zur Polizeigeschichte im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Begleitveranstaltungen zur Ausstellung "Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950" - 12. Dezember 2022
- Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950 Wanderausstellung im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Duisburg - 2. November 2022
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Ich frage mich, ob Öffnungszeiten überhaupt ein genuines Problem von Kultureinrichtungen sind. Weite Teile der öffentlichen Verwaltung sind davon ja betroffen. Für einen Besuch bei einem Amt muss ich frei nehmen oder später anfangen o.ä. Auch eigentlich ein Unding in Zeiten der “Kundenfreundlichkeit”.
Einige Archive, die über die notwendigen Ressourcen verfügen, haben immerhin mittlerweile teils sehr lange Öffnungszeiten unter der Woche (langer Montag oder langer Donnerstag z.B.). Der zitierte Hinweis trifft auf Präsenzbibliotheken (wie dies öffentliche Bibliotheken häufig sind). Was aber, wenn Archivalien ausgehoben werden müssen oder doch Beratungsbedarf besteht, aber nur ein Mitarbeiter Dienst hat bzw. haben kann…? Frustrierte Sonntagsnutzer helfen dann nicht weiter. Die Ressourcenfrage ist also ein echtes, essentielles Problem, abgesehen von den rechtlichen Rahmenbedingungen, die Kollege Graf bereits früher skizziert hat. https://archivalia.hypotheses.org/26656
Noch zuletzt eine Frage, die damit m.E. eng zusammenhängt: Ist es notwendig, den realen Raum zu öffnen, wenn digitale Lesesäle allerorten eingefordert werden und mittlerweile Anforderungskataloge zu formuliert werden? Wäre es nicht hilfreicher, mehr Mittel für die Digitalisierung bereitzustellen?
Die Digitalisierung halte auch ich für einen wichtigen Ansatz, die Präsentation der Digitalisate zwingend eingeschlossen. Damit stellt sich langfristig die Frage nach den Öffnungszeiten immer weniger.
Zur Umsetzung ist zu sagen, dass ein Positionspapier, wie im Beitrag verlinkt, ja genau die Aufforderung an die Politik ist, die entsprechenden Mittel und rechtlichen Rahmen bereitzustellen, bzw. anzupassen.
Die Frage ist jedoch die: Wollen oder brauchen die Nutzerinnen und Nutzer der Archive den offenen Sonntag?
Der “real existierende” Lesesaal wird uns wohl auf absehbare Zeit erhalten bleiben (vgl. hierzu etwa die Beiträge von Max Plassmann und Roland Müller in: Stumpf, Marcus/Tiemann, Katharina (Hrsg.), “Im (virtuellen) Lesesaal ist für Sie ein Platz reserviert…”. Archivbenutzung heute – Perspektiven für morgen (Texte und Untersuchungen zur Archivpflege, Bd. 27), Münster 2013). Dies sieht auch drei Jahre später kaum anders aus. Doch in der Tat: Die (größeren) Archive bewegen sich immer mehr in Richtung digitaler Lesesaal. Insofern treffen Herrn Beckers Anmerkungen auch aus meiner Sicht zu. Eine Sonntagsöffnung des Lesesaals macht erforderlich: Personal im Lesesaal (Aufsicht, Betreuung), Personal zur Beratung, Personal im Magazin, Personal der IT (was, wenn kurz nach Öffnung des Lesesaals das System oder Teile desselben abstürzt/abstürzen?) sowie (wiederum bei größeren Archiven) Personal an der Pforte bzw. des Sicherheitsdienstes (u. U. von externen Dienstleistern). Viele Archive haben bereits “lange Tage”, so dass sich eine (gegebenenfalls zeitaufwendige) Anreise lohnt. Wenn ich als Archiv sonntags öffne, muss ich entweder Personalaufbau betreiben oder an anderer Stelle Öffnungszeiten zurückfahren. Und auch das ist legitim: Die Frage nach den Beschäftigten ist keineswegs “anrüchig” oder „rückständig“. Nein, sie ist modern, auch und gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung aller Arbeits- und Verwaltungsbereiche. Sonntagsarbeit ohne Not ist mehr als fragwürdig. Um Herrn Beckers Hinweis auf die Verwaltung im Allgemeinen aufzugreifen: Muss das Finanzamt tatsächlich auch am Sonntag geöffnet haben – in Zeiten von ELSTER etc.?
Eine weitere Stellungnahme hierzu liegt vor unter: https://nrw.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++42822fb2-387a-11e6-8549-525400438ccf