Joseph P. Huffman, Professor für Europäische Geschichte am privaten christlichen Messiah College in Mechanicsburg, Pennsylvania (USA), unternimmt in seiner 2018 bei der Amsterdam University Press erschienenen Monographie den ambitionierten Versuch einer Gesamtgeschichte der Stadt Köln im Zeitraum von 19 v. Chr. bis 1125 n. Chr. auf nur 280 Seiten. Sein Buch ist nur der erste von geplanten zwei Bänden, der Nachfolger soll die Jahre 1125 bis 1475 abdecken. Dies erklärt vermutlich auch den irreführenden Titel – denn eine Reichsstadt bzw. ‚Imperial City‘ war Köln in der im vorliegenden Band behandelten Zeit keineswegs.
Um diesem Buch gerecht zu werden, muss man sich seiner Zielgruppe bewusst werden: Huffman schreibt für ein anglophones Publikum und liefert für dieses die erste umfassende Darstellung zur Kölner Geschichte. Das deutschsprachige (Fach-)Publikum hingegen wird hier wenig Neues entdecken können, da Huffman in weiten Teilen nur eine englischsprachige Wiedergabe des Forschungsstandes liefert. Eigene Akzente setzt er allein für die Zeit Kaiser Heinrichs V. (1106-1125).
Sein Parforceritt durch die Jahrhunderte erfolgt, nach Vorwort und Prolog, in neun Kapitel. Sein Vorwort (“Historic Preservation and European Urban History”, S. 9-12) beginnt er mit dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln am 3. März 2009. Im Anschluss an die Tragödie habe er erkannt, dass der Beitrag, den er jetzt noch zur Kölner Stadtgeschichte leisten könne, deren Darstellung auf Englisch sei (S. 9-10). Dafür formuliert er folgendes Forschungsdesiderat:
„Lacking such an available history in one or two volumes, Cologne has not been well integrated into the wider historiography of premodern European urban history, even though it was equal in size to any city of the Low Countries and as dominant in English trade as any other European city. And indeed the absence of the German Kingdom’s largest and most powerful city is symptomatic of the fact that German urban history as a whole finds little if any place in the historiography of premodern urban development in Europe.“ (S. 10-11)
Dem folgt ein knapper Prolog (“Natural History and Prehistoric Human Habitation”, S. 13-15), ehe er mit dem römisch-germanischen Köln der Jahre 58 v. Chr. bis 456 n. Chr. in die eigentliche Materie einsteigt (S. 17-45). Als Basis dieses Römer-Kapitels dienen ihm vor allem die Forschungen Werner Ecks sowie die gängigen antiken Quellentexte von Caesar, Tacitus etc. Dabei geht es Huffman vor allem darum, Köln als „the city of emperors“ (S. 44) in den Reichskontext einzubetten.
Unter dem Stichwort “Rupture or Continuity?” widmet er sich dem merowingerzeitlichen Köln der Jahre 456 bis 686 (S. 47-73), wobei er sich im Wesentlichen auf Gregor von Tours bezieht. Hier stellt er heraus, dass die Zeit des merowingischen Kölns kein ‚Dark Age‘ gewesen sei, sondern das Stadtleben fortbestand (S. 50-51). Das Pontifikat Kuniberts macht er als Beginn des Aufschwungs der Stadt unter bischöflicher Herrschaft fest (S. 65).
Sein drittes Hauptkapitel zum karolingerzeitlichen Köln der Jahre 686 bis 925 (S. 75-93) zeigt exemplarisch die Probleme auf, die sich der modernen Stadtgeschichtsforschung quellenarmer Epochen stellen. So soll es in Huffmans Buch eigentlich um die Kölner Stadtgeschichte gehen. Doch was man in diesem, wie auch den folgenden Kapiteln zur Ottonen- (S. 95-125) und frühen Salierzeit (S. 127-151) zu lesen bekommt, ist in weiten Teilen eine Reichs- und später eine Bischofsgeschichte. Die Stadt Köln selbst erscheint als mehr oder minder zufälliger Ort des Geschehens oder Titelgeber der erzbischöflichen Protagonisten, die vor dem Hintergrund ihrer Kirchen- und Reichspolitik beschrieben werden.
Das sechste Hauptkapitel widmet sich dann dem Pontifikat Annos II. von 1056 bis 1075 unter dem sperrigen Titel „Herrschaft meets Gemeinde” (S. 152-176), dessen Hälfte die Nacherzählung des Aufstandes von 1074 in den Worten Lamperts von Hersfeld ausmacht (S. 162-170). In dieser Zeit beobachtet Huffman gravierende politische Wandlungen, die das innere Wesen der Stadt Köln nachhaltig veränderten:
„The archbishop’s holy city of endowed religious communities and their churches would be transformed through the intense forces unleashed by the Investiture Controversy, the ensuing collapse of the Salian dynasty, and the concomitant rise of an ever-more self-confident community of elite merchants and ministerials.“ (S. 153)
Huffmans letztes chronologisches Kapitel widmet sich dann der Entstehung der “Rhineland Metropolis” in der Zeit des Investiturstreites 1075 bis 1125 (S. 177-224). Er skizziert, dass zur Zeit des Erzbischöfe Sigewin und Hermann III. die Beziehung zwischen Stadt und Stadtherr noch sehr gut gewesen sei (S. 185), da diese die Autonomie der bürgerlichen Elite akzeptierten (S. 198). Der Bruch zwischen Stadtherr und Stadtgemeinde habe sich während des Pontifikats Friedrichs I. ereignet, der sich im Konflikt zwischen Kaiser Heinrich IV. und seinem Sohn, dem späteren Kaiser Heinrich V., Anfang Februar 1106 auf die Seite des letzteren schlug, während die Stadt Köln Heinrich IV. die Treue hielt (S. 194). Die Verteidigung der Stadt gegen Heinrich V. im selben Jahr, die Huffman als „heroic and herculean tasks“ (S. 202) preist, sei dann auch der Grundstein einer „communal identity“ (S. 197) geworden, die der ganzen Kölner Stadtgemeinde eigen gewesen sein soll. Angesichts der Quellenarmut ist dies freilich eine gewagte These, ebenso Huffmans Deutung der ominösen coniuratio pro libertate von 1112 als Schwureinung der Kölner gegen Heinrich V. (S. 207).
Huffman beschließt sein Buch mit einer Kontextualisierung der Kölner Stadtgeschichte im, wie er es nennt, europäischen Kontext (S. 225-237), wobei ‚Europa‘ hier vor allem den Reichskontext meint und er erneut den Forschungsstand rezitiert.
Resümierend lässt sich festhalten, dass Huffmans Buch solide recherchiert und ansprechend geschrieben ist und – vor allem einem englischsprachigen Publikum – einen guten Einstieg in die Kölner Stadtgeschichte bietet. Seine wenigen eigenen Thesen können aber nicht mit der bereits existenten Fachliteratur konkurrieren. Dabei unterlaufen ihm auch einige Ungenauigkeiten. So bezeichnet Huffman Johann Koelhoff d. J. als Verfasser der Koelhoffschen Chronik (S. 78), dabei ist dieser nur Drucker des Werkes. Die rheinseitige Erweiterung der Stadt datiert er in fränkische Zeit (S. 71), diese wird jedoch seit den Grabungen auf dem Heumarkt in den 1990er Jahren ins 4. Jahrhundert datiert.
Huffman, Joseph P.: The Imperial City of Cologne. From Roman Colony to Medieval Metropolis (19 B.C.-A.D. 1125). Amsterdam 2018, Amsterdam University Press, 280 Seiten, ISBN: 9789462988224.
Zitierweise:
Jansen, Markus: Rezension zu „The Imperial City of Cologne. From Roman Colony to Medieval Metropolis (19 B.C.-A.D. 1125). Von Joseph P. Huffman”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 13.01.2020, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2020/01/the-imperial-city-of-cologne/
- Die Kölner Stadtbefestigungen. Einzigartige Zeugnisse aus Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit Herausgegeben von Henriette Meynen - 30. Juni 2022
- The Imperial City of Cologne From Roman Colony to Medieval Metropolis (19 B.C.-A.D. 1125). Von Joseph P. Huffman - 13. Januar 2020
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