Die Abstracts zur Tagung „Herrschaftsnorm und Herrschaftspraxis im Kurfürstentum Köln“ Sektion II: Herrschaft und Außenbeziehungen

Die zweite Sektion behandelt ein Themenfeld, das in der jüngeren Forschung – in deutlicher Abkehr von der auf “staatliche” Außenpolitik fokussierten älteren Historiographie – mit dem Terminus technicus “Außenbeziehungen” bezeichnet wird. Anhand von vier Fallstudien werden unterschiedliche Formen und Partner von Außenbeziehungen des Kurfürstentums Köln vorgestellt: das Heilige Römische Reich, einzelne Reichsfürsten, aber auch eine auswärtige Macht wie die Krone Frankreich. Im Mittelpunkt stehen hierbei die multiplen Rollen der Kölner Erzbischöfe (PD Dr. Alheydis Plassmann), Fragen der Raumkonzeptionen und -wahrnehmung (Prof. Dr. Manfred Groten) und die Ebene der diplomatischen Beziehungen (Dr. Philippe Sturmel). Passend zum Thema der Sektion ist ein Referent des französischen Kooperationspartners der Tagung, des Centre d’Études Internationales sur la Romanité der Universität La Rochelle, vertreten, der die französische (Außen-)Perspektive thematisieren wird. Moderiert wird die Sektion von Dr. Michael Kaiser (Universität zu Köln/Max-Weber-Stiftung).

 

Sektionsleitung: Dr. Michael Kaiser

PD Dr. Alheydis Plassmann, 14.00-14.45 Uhr 
Die Kölner Erzbischöfe und das Reich – Nutzen und Schaden des Engagements im Reich
Das Verhältnis der Kölner Erzbischöfe zum Reich war schon seit dem Frühmittelalter von einer komplexen gegenseitigen Abhängigkeit bestimmt, die sich nicht immer zum Nutzen des Bistums auswirkte. Die Könige und Kaiser haben häufig versucht, nicht nur bei der Auswahl des Erzbischofs mitzureden, sondern auch durch Schenkungen oder Drohmaßnahmen die Kooperation des jeweiligen Bischofs zu bewirken. Umgekehrt führte die Beteiligung des Herrschers an der Bischofserhebung zu einer gewissen Verpflichtung des Bischofs, sich für das Reich zu engagieren, der indes nicht immer gefolgt wurde. Aber auch die Aussicht auf außergewöhnliche Belohnungen konnte als Ansporn für den Bischof dienen, seine Tatkraft und seine Ressourcen in den Dienst des Reiches zu stellen. Im Spannungsfeld zwischen den vielfältigen Idealbildern, die an den Erzbischof herangetragen wurden – als Oberhirte der Kölner Kirche, als Stadtherr, als Förderer der Kölner Stifte, gelegentlich auch als Mitglied des rheinischen Adels –, stand die Reichspolitik der Kölner Erzbischöfe unter einem hohen Erwartungsdruck, dem nicht alle Bischöfe gleichermaßen gerecht wurden. Das Wirken im Reich und für den Kaiser oder König wirkte nicht aus sich heraus zum Nutzen des Bischofs oder auch des Bistums. Je nach Umständen konnte ein Bischof, der sich als treuer Vasall erwies, gerade aus diesem Grund in seinen bischöflichen Aufgaben versagen. An einzelnen Beispielen von Bischöfen aus dem 12. Jahrhundert soll diese Spannung zwischen den Normen der bischöflichen Herrschaft, die vor allem durch seine geistlichen Aufgaben bestimmt wurden, und den pragmatischen Anforderungen an einen Reichsfürsten beleuchtet werden.

 

Prof. Dr. Manfred Groten, 14.45-15.30 Uhr
Herrschaft auf den Punkt gebracht – Wo verhandelte man im Spätmittelalter mit dem Kölner Erzbischof?
Am Hof Erzbischof Rainalds von Dassel (1159-67) wurde die Idee eines kölnischen Landes (terra Coloniensis) entwickelt, das als Raum konzipiert wurde, in dem alle weltlichen Herrschaftsrechte der Kölner Erzbischöfe im Rheinland, gipfelnd im 1151 geschaffenen rheinischen Herzogtum, zusammengefasst werden sollten. Das kölnische Land blieb aber von fremden Herrschaftsrechten durchsetzt und besaß keine lückenlosen linearen Außengrenzen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden in Auseinandersetzung mit dem Adel im Rheinland und in Westfalen (Herzogtum Westfalen, Vest Recklinghausen) stärker verdichtete und schärfer umrissene Herrschaftsräume der Erzbischöfe geschaffen, die in Ämter aufgegliedert wurden. Dieser Formierungsprozess förderte eine auf den Kontrast von eigener und fremder Raumherrschaft konzentrierte Wahrnehmung, die die Idee des „Flächenstaates“ vorbereitete.
In ihren eigenen Herrschaftsräumen – und nur in ihnen – konnten die Erzbischöfe ihre Rangansprüche uneingeschränkt durchsetzen. (Die besondere Situation des kaiserlichen Hofes soll hier ausgeklammert werden. Fürstenversammlungen erfordern ebenfalls eine eigene Untersuchung.)
Aus einer anderen Perspektive betrachtet wurden die Erzbischöfe im Spätmittelalter geradezu zu Gefangenen ihrer Territorien, die sie nur in bestimmten Rollen verlassen konnten: als Reisende, als Pilger, als Fehdeführer oder in der riskanten Verhüllung des Inkognito.
Die im 13. Jahrhundert ausgebildete Raumwahrnehmung bestimmte auch die Wahl von Verhandlungsorten. Mit deren Lokalisierung lässt sich diese deshalb in gewissem Umfang rekonstruieren. Der eigene Herrschaftsraum wurde als Instrument der Demonstration des fürstlichen Ranges eingesetzt. In seinen Zentren und an seinen Grenzen konnten bei Begegnungen mit anderen Fürsten und Herren Rangunterschiede sichtbar gemacht werden. Diese Form der Herrschaft mit Hilfe des Raums soll im Vortrag am Beispiel Erzbischof Heinrichs von Virneburg (1304-32) in ihren Grundregeln und in ihrer durchaus flexiblen Praxis dargestellt werden.

 

Dr. Philippe Sturmel, 16.00-16.45 Uhr 
Die Beziehungen zwischen dem Kurfürstentum Köln und dem französischen Hof im 18. Jahrhundert: Die Frage des „pouvoir“
In den deutsch-französischen Beziehungen spielte die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle. 1740 bestiegen Maria Theresia und Friedrich II. den österreichischen bzw. preußischen Thron. Die römisch-deutsche Kaiserwürde ging 1742 von den Habsburgern auf die Wittelsbacher über. 1748 wurde dann der Frieden von Aachen unterzeichnet. Einige Jahre später kam es auf französischer Seite zur „Diplomatischen Revolution” (renversement des alliances) durch ein Bündnis mit Österreich. Im Januar 1747 wurde der Marquis d’Argenson entlassen und es entwickelte sich insbesondere unter dem Einfluss des Prince de Conti ein generelles Politiksystem, welches das seit dem Westfälischen Frieden bestehende Mächtegleichgewicht zu bewahren, die Freiheiten der deutschen Reichsstände zu gewährleisten und das österreichische Herrscherhaus von Russland zu trennen versuchte – letzteres durch eine Abkoppelung Russlands von der europäischen Einflusssphäre mittels einer für die Zeit ungewöhnlichen Vorgehensweise, nämlich einer geheimen Korrespondenz. In den Jahren nach dem Aachener Frieden verfolgten dann die verschiedenen französischen Staatssekretäre die Verwirklichung dieser Politik. Die Einzelheiten dieser Verhandlungen sind kaum bekannt. Angemerkt sei, dass Frankreich eine solide Position im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und an den nordeuropäischen Höfen erreichte. Eine Untersuchung der geheimen Korrespondenz Frankreichs mit dem Kurfürstentum Köln ermöglicht nicht nur einen Einblick in die bilateralen diplomatischen Beziehungen der beiden Höfe und in die Rolle Kurkölns innerhalb des Reiches, sondern auch in die Bedeutung, die Frankreich diesem Kurfürstentum beimaß.

 

Zitierweise:
Plassmann, Alheydis/Rohrschneider, Michael/Stieldorf, Andrea: Herrschaftsnorm und Herrschaftspraxis im Kurfürstentum Köln im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Sektion II: Herrschaft und Außenbeziehungen, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 29.07.19, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2019/07/kurkoeln2019-sektion-zwei

Druckversion
Alheydis Plassmann & Michael Rohrschneider & Andrea Stieldorf

Beitrag kommentieren

Ihre E-Mail wird nicht öffentlich sichtbar sein. Erforderliche Felder sind markiert mit einem *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.