Am 18. Oktober 2018 wird der 200. Geburtstag der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in einem großen Festakt gefeiert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und viele Ehrengäste werden dabei der Jubilarin ihre Aufwartung machen. Die Inhalte dieser Veranstaltung werden die jüngeren Erfolge und Entwicklungen der Universität dominieren, den Rahmen und Zeitpunkt allerdings legt die ältere Universitätsgeschichte fest: Denn der 18. Oktober 1818 ist der Tag der Gründung, der „Geburtstag“, der Universität Bonn.
Eine feierliche Gründungsveranstaltung mit wissenschaftsphilosophischen Ausführungen Wilhelms von Humboldt oder feierlicher Eröffnung durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. gab es 1818 jedoch nicht. Die Gründung der „Königlich Preußischen Rhein-Universität zu Bonn“ am 18. Oktober 1818 war das bürokratische Ende eines langjährigen Diskussions- und Gestaltungsprozesses, das an Feierlichkeit an allem missen ließ, was zu erwarten gewesen wäre.[1] Der einzige Akt, der den 18. Oktober zum „Geburtstag“ der Universität werden lässt, war die Unterschrift des preußischen Königs unter ein neun Seiten langes Dokument aus einfachem Kanzleipapier: die Stiftungsurkunde.
Die Schlichtheit dieser universitären „Geburtsurkunde“, die weder in prächtigem Pergament noch in prunkvoller Schrift auftritt, verweist dabei auf wesentliche Umstände der Universitätsgründung. Denn die beteiligten Akteure, allen voran der König als Stifter der Universität, blieben wenig euphorisch, und gerade der königlichen Skepsis gegen die zu gründende Universität ist es anzurechnen, dass die Gründung nicht im Ballsaal eines Schlosses, sondern lediglich auf Konzeptpapier vollzogen wurde. Mehrfach war die Universität angekündigt und versprochen worden, seit Friedrich Wilhelm III. 1815 die Herrschaft über die Rheinlande übernommen hatte.[2] Auch organisatorisch war die Universität in vielen Beschlüssen schon vorbereitet, aber eben noch nicht gegründet. Friedrich Wilhelm III. war unwillig der Universität seinen Segen zu geben, hatte doch kurz zuvor einer ihrer künftigen Akteure, der deutschnationale Publizist und Historiker Ernst Moritz Arndt, mit einer neuerlichen antipreußischen Veröffentlichung den königlichen Zorn auf sich gezogen.[3]
Dennoch gelang es den preußischen Ministern Karl August von Hardenberg und Karl von Altenstein, den verärgerten König zur Unterschrift und damit zum Abschluss des Gründungsaktes zu bewegen. Sobald der König überzeugt war, ließen sie in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober in aller Eile die Gründungsverfügung abfassen und legten sie dem König zur Unterschrift vor. Diese Unterschrift erfolgte am Sonntag, den 18. Oktober. Für die Beteiligten war die Einrichtung einer Universität an diesem Tag der Abschluss eines Verwaltungsaktes, nicht aber ein gesellschaftliches Ereignis. So notierte beispielsweise Staatskanzler Hardenberg für den 18. Oktober in sein Tagebuch: „Grosses Militairisches Diner, welches der König auf dem Stadt Hause gab. Ich hatte alle übrigen Preussen zum Mittag Essen“.[4]
Dass das „Militairisches Diner“ mit Reden zur Universitätsgründung geschmückt war, ist ebenso abwegig, wie bei den „übrigen Preussen“ ein gesteigertes Interesse daran zu vermuten. Die Bonner Universität muss sich an ihrem Geburtstag mit der schlichten Stiftungsurkunde bescheiden. 200 Jahre später ist das Grund genug, diese historische Quelle ins Zentrum zu stellen. Was steht in dieser Urkunde? Wer stellte sie aus? Wie ist sie aufgebaut und gestaltet? Es sind diese grundlegenden Fragen an das Dokument, die über ihre Abfassungsgeschichte und damit die frühe Universitätsgeschichte erhellende Einsichten bieten – Einsichten, die sich am virtuellen Dokument besonders gut darstellen lassen.
Am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte der Universität Bonn ist in dieser Absicht das Projekt „Stiftungsurkunde online“ entstanden, das vom Dezernat Hochschulkommunikation technisch realisiert wurde. Damit stehen alle neun Seiten der Stiftungsurkunde digital zur Verfügung und können entdeckt werden: Ob durch die Urkunde blättern und sich an der deutschen Kurrentschrift zu versuchen oder doch eher eine moderne Transkription lesen – die Erkundungsmöglichkeiten sind vielfältig. Inhaltliche Orientierung geben dabei Kommentare, die an ausgewählten Stellen den Inhalt der Urkunde erläutern und Verweise zur weiteren Geschichte der Universität herstellen. Denn wie jedes historische Dokument ist auch die Stiftungsurkunde der Universität Bonn erklärungsbedürftig, und es bedarf der klassischen quellenkritischen Hintergründe von Wer-Wo-Was-Wie-Warum, um die Bedeutung dieses Dokuments zu verstehen.
Über diesen inhaltlichen Erklärungsbedarf hinaus bietet die digitale Präsentation der Urkunde Hinweise zur formalen Gestaltung der Quelle. Denn eine Urkunde ist ein formgebundenes Schriftstück, das seinen Rechtsinhalt gerade durch die Einhaltung formaler Bestandteile erhält. Größtenteils bestehen diese in ihrer äußeren Form seit dem Mittelalter fort. Nicht zuletzt darum finden sich in der digitalen Präsentation auch repräsentative Abbildungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Urkunden aus der Lehrsammlung des Bonner Instituts für Geschichtswissenschaft.
Die „Stiftungsurkunde online“ möchte die zentrale Quelle des Universitätsjubiläums zugänglich machen und zur Beschäftigung mit der frühen Universitätsgeschichte anregen. Ganz nebenbei lässt sich dabei auch der Umgang mit historischen Dokumenten lernen.
Das Projekt wurde von Michael Rohrschneider und Jonas Bechtold konzipiert und erstellt. Die Bearbeiter bedanken sich bei Alheydis Plassmann und Thomas P. Becker für Anregungen und Unterstützung. Die technische Umsetzung und Gestaltung wurde von Volker Lannert und dem Dezernat Hochschulkommunikation übernommen.
Link zur „Stiftungsurkunde online“
Link zur Pressemitteilung der Universität Bonn
[1] Zu den genauen Umständen der Bonner Universitätsgründungen sei die folgende Literatur empfohlen: Renger, Christian: Die Gründung und Einrichtung der Universität Bonn und die Berufungspolitik des Kultusministers Altenstein, Bonn 1982 (Academica Bonnensia, 7); Becker, Thomas/Schaper, Uwe (Hrsg.): Die Gründung der drei Friedrich-Wilhelms-Universitäten, Berlin/Boston 2013 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 108); Schäfer, Karl: Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 1960, Bonn 1968.
[2] Schon in den ersten Patenten, die Friedrich Wilhelm III. an seine neuen Untertanen in den Rheinlanden richtete, kündigte er die Errichtung einer Universität in den Rheinlanden an.
[3] Renger a.a.O., S. 87–89.
[4] Karl August von Hardenberg 1750–1822. Tagebücher und autobiographische Aufzeichnungen, hrsg. und eingeleitet von Thomas Stamm-Kuhlmann, München 2000 (Deutsche Geschichtsquellen des 18. und 20. Jahrhunderts, 59), S. 866.
Zitierweise
Bechtold, Jonas / Rohrschneider, Michael: “Den Uni-Gründern auf die Finger schauen: Die Bonner “Stiftungsurkunde online””, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 07.02.2018, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2018/02/digitale-stiftungsurkunde-uni-bonn/
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