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„200 Jahre Musikverein – zurück in die Zukunft“

Im Rahmen der Vortragsveranstaltung „Partnerarchive zu Gast im Heinrich-Heine-Institut“ anlässlich des 9. Tages der Archive in Düsseldorf am Dienstag, den 6. März 2018,  hielt Dr. Martin Schlemmer, einen Vortrag über das Vereinsarchiv und das Projekt „Digitales Archiv“ des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf (ASMVD). Bei dieser Gelegenheit präsentierten Christian Leitzbach das Zentralarchiv der Rheinmetall AG und Benedikt Mauer das Stadtarchiv Düsseldorf. Außerdem stellte der Vereinsvorsitzende Manfred Hill die neueste Errungenschaft des Musikvereins vor: die interaktive Stele, das mobile „Digitale Info Center“, das umfangreiches Informationsmaterial – auch zur Geschichte und Chronik des Musikvereins –, auf moderne Nutzungsgewohnheiten abgestimmt, für Interessierte bereithält. Der folgende Vortragsauszug skizziert das Projekt “Digitales Archiv”:

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

angesichts der knapp bemessenen Vortragszeit verweise ich auf die Ausführungen meines Kollegen Georg Lauer in der Pressekonferenz am 2. März zum Archiv des Städtischen Musikvereins, namentlich zu den drei Standorten der (analogen) Archivalien des Musikvereins in der Tonhalle, im Stadtarchiv und hier im Heinrich-Heine-Institut und fasse an dieser Stelle lediglich die Kernaussagen zusammen. In einem zweiten Schritt widme ich mich dann dem Aufbau des digitalen Vereinsarchivs.

  1. Am heutigen Vereinssitz, der am „Joseph-Beuys-Ufer“ gelegenen Tonhalle, bewahrt der Musikverein seine Vereins- und Geschäftspapiere und die gesammelten Programmunterlagen zu den Konzerten, an denen er beteiligt ist, auf. Hier müsste künftig noch entschiedener zwischen (Alt-)Registratur und eigentlichem Archiv differenziert werden.
  2. Ein zweiter Aufbewahrungsort von Archivalien des Städtischen Musikvereins ist das Düsseldorfer Stadtarchiv. Hier befinden sich als Deposita Unterlagen mit unmittelbarem wie mittelbarem Bezug zum Musikverein, so etwa Konzertkritiken der örtlichen Presse oder Korrespondenz mit den (General-)Musikdirektoren, die für den Verein tätig waren.
  3. Seit 1990 bildet das Heinrich-Heine-Institut den dritten Aufbewahrungsort von Archivalien des Musikvereins. Der Notenbestand aus den Jahren 1801 bis 1929 nimmt mit einem Umfang von mehreren 1000 Bänden ca. 100 Regalmeter ein. Als erstklassige Quelle für musikhistorische Zeugnisse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts umfasst er zahlreiche Früh- und Erstdrucke zu Werken von z. B. Bach, Beethoven, Händel, Haydn oder Mozart sowie einen Bestand bedeutender Uraufführungsmaterialien zu Kompositionen der Düsseldorfer Musikdirektoren Hiller, Mendelssohn, Rietz, Schumann und Tausch. Es existieren Originalausgaben und Erstdrucke von Partituren und Klavierauszügen sowie Chor- und Orchesterstimmen mit handschriftlichen Aufführungsanweisungen bzw. Widmungen der Dirigenten, die nicht selten zugleich auch die Komponisten waren.

Kommen wir zu meinem zweiten Thema: Die Digitalisierung eines Archivs bedeutet nicht nur Digitalisierung des bislang analog vorliegenden Archivguts. Digitalisierung heißt jedoch ebenso wenig NUR Web 2.0 bzw. Archiv 2.0. Es heißt auch nicht nur die Langzeitarchivierung von „digital born“-Unterlagen.

Die Digitalisierung eines Archivs sollte vielmehr umfänglich und ganzheitlich verstanden werden. Im kürzlich erschienenen neuesten Heft der Fachzeitschrift „Archivar“ beschäftigen sich wieder einige der Beiträge mit dem Archiv in der digitalen Welt. Digitalisierung bedeutet demnach Digitalisierung des bislang analog vorliegenden Schriftguts und Web 2.0 und Langzeitarchivierung von „digital born“-Unterlagen. Alle Kernaufgaben eines Archivs sind letztlich von der Digitalisierung betroffen: die Übernahme ins Archiv, die Erschließung – also Ordnung und Verzeichnung –, die Aufbewahrung, die Bereitstellung – etwa im virtuellen Lesesaal -, die Restaurierung, die Öffentlichkeitsarbeit, die Beratung des Vereins in Sachen Schriftgutverwaltung.

Um solch einen epochalen Umstieg auf das „digitale Archiv“ zu gewährleisten, bedarf es einer Digitalen Strategie. Was kann, was muss ich selbst leisten? Was kann, was sollte ich besser nicht selbst leisten und externen Sachverständigen überlassen? Wo ist eine Kooperation mit anderen Institutionen und Archiven angezeigt? Wo entstehen Synergieeffekte oder können diese entstehen, welche diesen Namen auch wirklich verdienen? Ein konkretes Beispiel: Welche Erschließungssoftware nutze ich? Welche Verzeichnungsrichtlinien wende ich an? Soll ich überhaupt selbst verzeichnen? Oder besser verzeichnen lassen? Falls ja: von wem? Mit welchen Mitteln?[1]

Diesen und weiteren Fragen widmet sich eine kleine Strategie-Kerngruppe, die im Juni 2017 ins Leben gerufen wurde und pünktlich zur Tagung des Archivs und des LVR in Kooperation mit dem Stadtmuseum Düsseldorf im Oktober 2018 erste Ergebnisse vorlegen zu können hofft. Ihr gehören neben meiner Person noch Stephan Schwenke, Leiter des Stadtarchivs Kassel, sowie Jochen Hermel und Christoph Kaltscheuer vom Blog „Rheinische Geschichte – wissenschaftlich bloggen“ an. Es wird in erster Linie darum gehen, wichtige Themenfelder zu benennen und entsprechende Handlungsempfehlungen zu formulieren.

Schauen wir uns nun einige Bereiche an, in denen das Archiv des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf bereits jetzt digital vertreten ist:

Der Auftritt des ASMVD auf Facebook: https://www.facebook.com/ArchivMusikvereinDuesseldorf/

Der Auftritt des ASMVD auf Twitter: https://twitter.com/ArchivMVD

 

 

 

 

 

 

 

„Zurück in die Zukunft“ also? Ja, ein Archiv ermöglicht den Blick zurück, in gewisser Hinsicht eine regelrechte Zeitreise – und ja, ein Archiv, das sich digitalisiert, macht sich fit für die Zukunft, fit für künftige Herausforderungen. Insofern passt der Vortragstitel „zurück in die Zukunft“ vielleicht genauso gut zu unserem Archiv wie der Slogan „vorwärts in die Vergangenheit“ – wobei ich der erstgenannten Variante eindeutig den Vorzug gebe. Nur eines sollte bei unserem Vereinsarchiv nicht eintreten: Stillstand.

 

 


[1] Bei der Beantwortung dieser Fragen kann der Blick auf im weitesten Sinne ähnliche (Erschließungs-)Projekte hilfreich sein. Vgl. etwa Altenburg, Detlef, Das Deutsche Nationaltheater Weimar als Forschungsgegenstand – Quellenerschließung und Quellenpräsentation im Verbund von Archiven, Bibliotheken und Wissenschaft, in: Storm, Monika (Red.), Archive ohne Grenzen. Erschließung und Zugang im europäischen und internationalen Kontext. 83. Deutscher Archivtag in Saarbrücken (Tagungsdokumentationen zum Deutschen Archivtag, Bd. 18), Fulda 2014, S. 95-108; Gänser, Georg, Die Erschließung des Gauarchivs der NSDAP Wien, in: Scrinium 70 (2016), S. 7-42.

 

Zitierweise:

Schlemmer, Martin: „200 Jahre Musikverein – zurück in die Zukunft“. Archiv des Städtischen Musikvereins zu Gast im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf , in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 19.03.2018, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2018/03/200-jahre-musikverein/