KölnGold. Stadtschätze/City Treasure

„Et bliev nix, wie et wor“ heißt es in der Ankündigung zu einem Werk über Köln und seine „Stadtschätze“. Doch – so könnte man konsequenterweise hinzufügen – „et iss vill do, unn nur su kamme sinn, wie et wor“. Denn nur der Blick in die Vergangenheit kann die enorme Vielfalt und die historische Tiefe eines städtischen Kosmos aufzeigen, welche die über 2000-jährige Geschichte der Rheinmetropole geschaffen hat.

Wie aber vermag man die kulturellen Phänomene und Superlativen der Domstadt auch nur ansatzweise zu skizzieren? Und wer traut sich so etwas zu? Vor allem: Was will man den Leserinnen und Lesern aus der riesigen Fülle an kulturellen Phänomenen präsentieren – was auswählen? Aufgemacht zu einem solchen Unternehmen hat sich der Kölner Verleger Michael Wienand; dazu holte er sich klugerweise den Kunsthistoriker, langjährigen Leiter des Museumsdienstes und jetzigen Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, Dr. Matthias Hamann als Co-Herausgeber an die Seite. Vielleicht braucht es gerade für ein solches Buch einen „Auswärtigen“ – in Köln liebevoll „Immi“ genannt – wie den Franken Matthias Hamann, um die enormen historischen und kunsthistorischen Schätze Kölns überhaupt adäquat würdigen zu können.

Über 300 sorgfältig ausgewählte Abbildungen des Kulturerbes aus Museen, Archiven und privaten Sammlungen sowie Signifikantes im öffentlichen Raum Vorhandene (z. B. die Reissdorf-Leuchtreklame beim Rudolfplatz oder der Taubenbrunnen) präsentieren die Herausgeber. Sinnvollerweise findet auch der Grüngürtel Aufnahme als Kölner Schatz (S. 280f.) oder der Hennes als Wasserspeier am Kölner Dom; anzumerken bliebe hier, dass der Geißbock auch an der St. Vitaliskirche in Müngersdorf vertreten ist.

Sinnvoll ist darüber hinaus die Einbeziehung von Phänomenen des immateriellen Kulturerbes wie z. B. das Köln-Lob von Petrarca aus dem Jahre 1333. Zudem: Es werden nicht nur klassische Kunstwerke präsentiert, sondern auch wichtige in Köln erfundene, konzipierte oder hergestellte Produkte wie beispielsweise der Otto-Motor aus Deutz (S. 287) sind hier zu Recht vertreten.

In welcher Weise wurde das Material strukturiert? Grundsätzlich bieten sich zwei Möglichkeiten an: eine chronologische oder eine thematische Ordnung. Der für KölnGold gewählte Überblick ist nicht chronologisch angelegt, entsprechend dem vom Herausgeber ausdrücklich zitierten – angeblich – “kölschen Prinzip“, nach dem die Dinge in Köln “nicht nach-, sondern neben- und miteinander” geschehen. Eine Aussage, welche aus Sicht der Geschichtswissenschaft problematisch ist und die Gefahr birgt, dass historische Kontextualisierungen nicht erfolgen und Tiefenschärfen verwischt oder gar Perspektiven verzerrt werden. Mithin stehen dann Dinge eben nur „nebeneinander“ – letztlich zeitlos – im Raum, obwohl sie meist nur chronologisch nachvollziehbar und erklärbar sind. Dennoch hat man sich hier für diesen Weg entschieden, den auch eine Reihe von Museen beschritten hat, wenngleich einige Museen in jüngster Zeit sinnvollerweise wieder die chronologische Strukturierung präferieren.

Mithin sind die über 250 vorgestellten Werke auf 17 Themenbereiche verteilt worden; die entsprechenden Überschriften lauten: Beständigkeit, Gottvertrauen, Schönheit, Wohlstand, Großzügigkeit, Macht, Lebensfreude, Herkunft, Offenheit, Stolz, Humor, Ordnung, Widerspruchsgeist, Geschäftssinn, Gelassenheit, Zusammenhalt, Zuversicht. Doch sind alle diese Punkte nicht spezifisch für Köln, sondern könnten auch auf viele andere Städte übertragen werden. Insofern führt diese gewählte Strukturierung auch dazu, dass Spezifika der kölnischen Historie nicht immer deutlich werden.

Eingeleitet wird jedes Kapitel mit einem kurzen Essay von ca. zwei Seiten durch eine für dieses Werk gewonnene Persönlichkeit aus der Kölner Stadtgesellschaft. Dass diese Essays durchaus unterschiedlich hinsichtlich Tiefe, Originalität und Analyse ausfallen, ist angesichts der Breite der Themen und der Vielzahl der Autorinnen und Autoren naheliegend. In einem zweiten Kapitel-Teil findet man zwar kurze, aber detailliertere Informationen zu den einzelnen Objekten, werden die „Geschichten hinter den Schätzen“ erzählt (S. 15). Beigegeben ist dem voluminösen Buch noch ein Beiheft über die „Via Culturalis“ – ein Projekt, das zwischen Dom und der romanischen Kirche St. Maria im Kapitol entstehen soll.

Das gesamte Werk ist zudem zweisprachig in deutscher und in englischer Sprache; sicher sinnvoll, um auch internationales Lesepublikum zu erreichen.

Die Abbildungsqualitäten sind durchweg vorzüglich; selbst bei Wiedergaben von Schriftquellen, wie z. B. bei Francesco Petrarcas Brief Aquis digressum vom 9. August 1333 (S. 268).

Warum tut man sich in Köln so schwer mit dem kulturellen Erbe? Vielleicht ist hierzu die Bemerkung des Autors Günter Blamberger zutreffend, wenn er notiert: „In einer Stadt, die seit Jahrhunderten nicht mehr Residenz […] ist, tut man sich schwer mit dem Repräsentativen und Perfekten“ oder „Der Kölner ist kein Ideologe, das Prinzipielle mag er nicht“; der Kölner pflegt stattdessen eine „wahrlich mediterrane Diskursform: […] das Parlando“ (S. 398) – en passant übrigens eine Bestätigung der Beobachtungen des bekannten Rheinland-Kenners und Kabarettisten Konrad Beikircher. Hierzu passt die Beobachtung der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, welche die kölsche Gelassenheit als Ergebnis aus Superlative und Gemütlichkeit (S. 376) interpretiert – Gelassenheit eng verbunden mit dem Fehlen von jedem Standesdünkel; ein sympathischer Grundzug, den man in der Rheinmetropole tatsächlich allenthalben findet.

Dennoch verfallen auch hier wieder einige Beiträger in die – leider auch typische – kölsche Selbstgenügsamkeit und das weit verbreitete Selbstlob; da werden Dinge positiver dargestellt als dies von der historischen Wirklichkeit abgebildet werden könnte. So wird beispielsweise im Kapitel „Widerspruchsgeist“ von Hans-Ewald Schneider (S. 330f.) der Widerstand in der NS-Zeit thematisiert; leider recht pauschal, wenn von den „Jugendlichen“ gesprochen wird, die sich „der Gleichschaltung und der Repression“ entzogen hätten. Es soll an dieser Stelle auch nicht auf Fehler und Ungenauigkeiten eingegangen werden, da es angesichts der thematischen Fülle und der Vielzahl von Autorinnen und Autoren schwierig ist, diese gänzlich auszuschließen. Ferner gibt es eine ganze Reihe sehr allgemeiner Aussagen, die auch ohne Probleme auf andere Städte zutreffen wie die von Kaspar Kraemer „Wie jedes anders Gemeinwesen oszilliert die Colonia zwischen Struktur und Auflösung, Zielorientierung und Abweichung, zwischen Haupt- und Nebenwegen“ oder – fast schon banal „Großartiges findet sich neben Gemeinem, großes nehmen kleinem Karo, Schönes neben Hässlichem“ (S. 309). Das alles ist nicht falsch, aber eben auch nicht Köln-spezifisch.

Doch darf man die Erwartungen an ein solches Werk nicht überdehnen: Das Buch erhebt auch keinen wissenschaftlichen Anspruch. Es ist ein klassisches Coffee-Table-Book, das weder in die Handtasche passt, um es für einen Stadtrundgang mitzunehmen noch dient es als Bettlektüre. Es ist vielmehr ein klassisches Werk zum Blättern und Stöbern, in dem man bei jedem Blick hinein viel Neues sowie Anschauenswertes findet.

Die Herausgeber wie einige der Autorinnen und Autoren bemerken vollkommen zu Recht, dass Köln angesichts der Fülle, ja Überfülle an kulturellen Schätzen viel zu wenig daraus macht. Kaspar Kraemer bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass Köln zwar „Weltstadtanspruch“ habe, aber oft durch in durch ihre „mediokre[n] Erscheinung in Handlung und Gestaltung“ auffalle (S. 308). Die leider häufig von der Politik, der Verwaltung wie auch – so muss man es fairerweise anmerken – ihren Bürgerinnen und Bürgern selbst vernachlässigte Stadt Köln macht einfach viel wenig aus ihren enormen Potenzialen. Abschließend ist – um auch auf den Anfang der Besprechung zu rekurrieren – resümierend festzuhalten: „in Kölle iss vill do, ävver mer maache vill zu wennig druss“. Das Werk „KölnGold“ kann indes Impulse setzen, dies zu ändern.

Michael Winand/Matthias Hamann (Hrsg.), KölnGold. Stadtschätze/City Treasure, dt./engl. Köln: Wienand-Verlag, 2021, 630 Seiten, 1 Beiheft, ca. 300 Abbildungen, 45 Euro; Prachtausgabe: 654 S., 350 Euro; ISBN: 978-3-86832-649-9

 

Zitierweise:
Wolfgang Rosen: Rezension zu “KölnGold. Stadtschätze/City Treasure”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 27.01.2025, https://histrhen.landesgeschichte.eu/2025/01/rezension-koelngold-rosen