Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Die Gründe für diese zweite, erweiterte Auflage ihres Handbuchs und Nachschlagewerks über Bergbau und Montanwirtschaft im Herzogtum Westfalen liefern die beiden Autoren Wilfried Reininghaus und Reinhard Köhne, so viel sei schon jetzt verraten, zum Schluss der Veröffentlichung in Form eines Forschungsüberblicks samt Bibliographie der jüngsten Publikationen seit 2007. Damit können sich die beiden doch auf die Fahnen schreiben, als Ergebnis ihrer Forschungsarbeit „von mehr als sieben Jahren“ (S. IX) eine Publikation vorgelegt zu haben, die selbst wie ein Stollengang der westfälischen Wirtschaftsgeschichte, mit vielen weitverzweigten Forschungsgängen, angelegt ist, aus dem schon einige Anregungen für weitere Territorien gehoben wurden. 

Die Autoren legen ein breit gefächertes Handbuch über die Geschichte des Bergbaus im Gebiet des Herzogtums Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit vor. Gleichzeitig fordern sie die bisherige Forschungsmeinung heraus, das Territorium sei für Adel und Bergbau wenig attraktiv gewesen. Durch die gelungene Verbindung von schriftlichen Quellen mit archäologischen Prospektionen rücken die beiden Autoren wirtschaftliche Aspekte in den Fokus, „die auf eine viel stärkere Fundierung der mittelalterlichen Landesgeschichte im südlichen Westfalen durch den Montansektor zielen“ (S. 186).

Das Handbuch folgt einem klar strukturierten Aufbau: In der Einleitung (A) werden neben Fragestellungen und Forschungsstand die nichtschriftlichen und schriftlichen Quellen vorgestellt und die Methodik zur gegenseitigen Ergänzung der Corpora erläutert. Daran schließt der Handbuch- bzw. Überblicksteil („Die Montanwirtschaft im Herzogtum Westfalen vor 1815“) an, der auf knapp 165 Seiten die Ergebnisse der intensiven Forschungsarbeit des interdisziplinären Duos kondensiert. Ausgehend von der Vorstellung der geologischen Gegebenheiten des westfälischen Südergebirges – das entspricht in etwa dem heutigen Sauerland – werden die Grundzüge der Montanwirtschaft umrissen (S. 21–64), wobei von der Frühgeschichte ausgehend nicht nur das Untersuchungsgebiet betrachtet, sondern in direkten Bezug zu anderen Bergbauregionen, wie etwa dem Harz, gesetzt wird. Schon in diesem chronologischen Überblick werden die fachliche Basis der Autoren und somit auch die Stärken des Werks deutlich: Die Erkenntnisse der verschiedenen Disziplinen, Archäologie, Geographie und Geschichtswissenschaft, werden zu neuen Impulsen für die Forschung zusammengefasst. Auch scheuen sich Reininghaus und Köhne nicht, progressiv Forschungslücken und Desiderate zu benennen oder die ältere Forschung zu revidieren (bspw. S. 46: „Schon jetzt muß aber Sönneckens These, es habe im kölnischen Sauerland keine Rennfeueröfen gegeben, als widerlegt gelten.“).
Im folgenden Abschnitt (S. 65–119) wird der Bergbau aus einer anderen Perspektive, aus Sicht der Territorialpolitik, in den Blick genommen. Hier stehen rechtlich-administrative Fragen, Problemfelder des landesherrlichen Bergbaus, Grenzkonflikte um Bergrechte und Abbaugebiete, Bergordnungen und die Bergverwaltung im Mittelpunkt. Die genaue Quellenkenntnis der Autoren ermöglicht es beispielsweise wörtliche Übernahmen aus anderen Bergordnungen zu erkennen und zu kontextualisieren. Es gelingt, den Einfluss der kurkölnischen Landesherren auf und ihr persönliches Interesse am Bergbau im Herzogtum Westfalen herauszuarbeiten – wie bei dem Hobby-Alchemisten Kurfürst Maximilian Heinrich . Insbesondere das in diesen Kapiteln beschriebene Zusammenwirken der verschiedenen Ämter und Behörden eröffnet neue Ansätze, die durch die breiten prosopographischen Informationen noch vermehrt werden und das personelle Geflecht zwischen der Bonner Residenz und den westfälischen Montanorten leichter durchschauen lassen.
Im letzten Großkapitel werden schließlich die ‚Betrieblichen Aspekte der Montanwirtschaft‘ (S. 120–184) untersucht. Hier wird der wirtschaftliche Zugriff auf die Bergwerke thematisiert und der lokale Adel als wichtigster Akteur der vormodernen Montanwirtschaft im Herzogtum Westfalen charakterisiert. Der Zugriff über die verschiedenen Gruppen von Eigentümern der Gewerke sorgte für eine gewinnbringende Unterscheidung und Klassifizierung der Gewerke und ermöglicht, in Verbindung mit den anderen zur Montanwirtschaft gehörigen Aspekten wie den Arbeitern und Fuhrleuten oder Werkstoffen und Betriebsmitteln, zum Abschluss des zusammenfassenden Teils eine wirtschaftsgeschichtliche Einordnung des westfälischen Bergbaus vor 1815.

Der Teil C „Lokale Reviere“ ist das Herzstück der Publikation, dokumentiert diese umfassende Darstellung der Forschung und Quellen doch die Forschungsarbeit von Reininghaus und Köhne. Hier werden die Forschungen zu einzelnen Ortschaften, Revieren oder Gruben zusammengestellt, die Ergebnisse der Quellen-, Literatur- und Geländearbeit zusammengefügt und für 29 Reviere detailliert ausgeführt. Dabei werden die Autoren ihrem eigenen und von der Forschung gestellten Anspruch gerecht, „Klein- und Kleinstbergbau“ in der Forschung stärker zu berücksichtigen (S. 187). Die Darstellung der einzelnen Orte profitiert von der großen Quellen- und Ortskenntnis der Autoren. Diese Darstellungen gewinnen an Tiefe und schaffen es dadurch ältere Darstellungen zu hinterfragen und fundierte neue Mutmaßungen anzustellen. Die einzelnen Ortskapitel sind jeweils nach individuellen Anforderungen aufgebaut: So orientiert sich der Abschnitt ‚C. 4. Balve‘ an den einzelnen Ortschaften/Gewerken innerhalb dieser Gemeindegrenzen, wohingegen der Artikel ‚C. 6. Brilon‘ zuerst einen chronologischen Überblick bietet und anschließend einzelne Ortschaften wie Bontkirchen oder Rösenbeck betrachtet werden. Ergänzende Abbildungen, Fotos und historischen Karten erweitern und vertiefen den Einblick in die Reviere. Die Einteilung nach heutigen Gemeindegrenzen, etwa im Falle der großen Reviere Brilon und Olsberg, kann jedoch verwirren: Hier wäre es vorteilhafter gewesen, die eindeutigen und sprechenden Unterkapitel innerhalb der einzelnen Reviere ins Inhaltsverzeichnis zu übernehmen, oder zumindest ein detailliertes Verzeichnis, wie etwa in Teil D, voranzustellen. Doch auch so findet man sich wegen der guten Strukturierung der einzelnen Kapitel schnell zurecht.

Im Teil D „Dokumentation“ findet sich die Edition von 55 ausgewählten Quellen, die das gesamte Herzogtum Westfalen abdecken und die unter anderem die verschiedenen Bergordnungen von 1534, 1549, vor 1557, 1557 und 1669 zugänglich und leicht vergleichbar macht. Auch damit wird der historischen Forschung der Zugang zum Feld der Montangeschichte des Herzogtums Westfalen noch leichter gemacht.

Das Handbuch endet mit der Wiedergabe einiger Karten, inklusive einer großformatigen Faltkarte im Einband, dem umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnis, den eingangs erwähnten Nachträgen und neuen Literaturtiteln sowie einem detaillierten Orts- und Personenregister.

Die Publikation ist somit als wichtiges Handbuch und Überblickswerk zur Geschichte der Montanwirtschaft im Herzogtum Westfalen zu bezeichnen, das neue Ansätze für die Wirtschaftsgeschichte des Herzogtums – quer durch die Epochen – liefert, aber auch als Anreiz für vergleichende Studien in anderen Territorien dienen kann. Mit den vielfältigen geöffneten Zugängen zum Themenkomplex, der großen Quellen- und Literaturkenntnis, der Einführung einzelner Reviere für die Forschung und der Edition der wichtigsten Quellen für das Territorium bildet das – mittlerweile zurecht als Standardwerk anzusehende— Buch selbst einen Stollengang, dessen vielen aufgezeigten Forschungsgängen es sich nachzugehen lohnt und das wohl für viele Landeshistoriker*innen, arrivierte Wissenschaftler*innen, aber auch für Studierende, Anreize und Möglichkeiten schafft, die hier präsentierten Ergebnisse, Fragen und Desiderata aufzugreifen und weiterzuverfolgen.

Reininghaus, Wilfried/Köhne, Reinhard, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XXII A; Geschichtliche Arbeiten zur Westfälischen Landesforschung. Wirtschafts- und Sozialgeschichtliche Gruppe 18) 2., erweiterte Auflage Münster (Aschendorff) 2020, 651 S.; ISBN: 978-3-402-15161-7

 

Zitierweise:
Schulte, David: Rezension zu “Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 07.04.2022, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2022/04/rezension-bergwerke-huetten-hammerwerke-westfalen-mittelalter-fruehe-neuzeit-schulte