Zeit der Weichenstellungen
Die heute unter dem Namen Technische Hochschule Köln – kurz TH Köln – firmierende Hochschule feiert 2021 ihr 50-jähriges Bestehen. Hervorgegangen aus zahlreichen Vorgängerinstitutionen verschiedenster Fachbereiche, entwickelte sie sich zur größten Fachhochschule Deutschlands.
Die Chancen des Beginns
Die Gründung der Fachhochschule Köln am 1. August 1971 war ein eher unspektakuläres Ereignis, denn diese Hochschule war eine von vielen zwischen 1969 und 1971 in Westdeutschland gegründeten. Ihre Errichtung markierte das Ende eines langen und ermüdenden Diskussionsprozesses und schließlich war die Kölner Hochschule wie die meisten Fachhochschulen keine wirkliche Neuschöpfung, sondern ein Konglomerat aus schulischen Vorgängereinrichtungen, die zum Teil schon mehr als einhundert Jahre in Köln ansässig und bekannt gewesen waren. Hinzu kam die in NRW per Errichtungsgesetz festgeschriebene – heute längst vergessene – politische Entscheidung, dass die gerade erst entstandenen Fachhochschulen möglichst bald wieder aufgelöst und in Gesamthochschulen überführt werden sollten.[1] Dieser vorgesehene lediglich transitorische Charakter der neuen Hochschulart und die Tatsache, dass die Vorgängereinrichtungen bereits über festgefügte Selbstverständnisse und Ausbildungskonzepte verfügten, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der neuen Hochschulart keine passende Bezeichnung und kein amtlich verordneter eigener Bildungsauftrag mitgegeben wurde – was bis heute fast so geblieben ist.[2] Dies hat zu zahlreichen Kontroversen geführt, wurde in der Fachhochschule Köln jedoch als Chance gesehen. Die Hochschule nahm sich die Freiheit, trotz der gesetzlich verordneten institutionellen Einheitlichkeit des neuen Fachhochschulsektors ein eigenes Profil zu entwickeln, das ihr zu einer besonderen Position in der deutschen Hochschullandschaft verhalf. Dazu trugen einige lokal bedingte Besonderheiten bei, die bis heute sorgfältig weiterentwickelt wurden und die deshalb eine nähere Betrachtung lohnen.
Ein besonderes Fächerspektrum
An erster Stelle sind hier die Anzahl und das fachliche Spektrum der 1971 zusammengeführten Vorgängereinrichtungen zu nennen. Deren Umfang führte dazu, dass die Fachhochschule in Köln mit der höchsten Aufnahmekapazität und der größten Studierendenzahl bundesweit startete. Dabei lag das zahlenmäßige Schwergewicht auf den technischen und auf den wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fächern. Daraus resultierte eine gewisse Bipolarität, die erst zu Spannungen und Konflikten führte, später jedoch zu wachsender Interdisziplinarität und transfakultärer Offenheit beitrug. Hinzu traten einige Einrichtungen, die einerseits einen lokalspezifischen Hintergrund hatten, aber aufgrund ihrer Einzigartigkeit der Hochschule einen weit überregionalen Wirkungsbereich bescherten. Dazu gehörten die Kölner Werkschulen, die mit einem sich stark wandelnden, aber immer sehr selbstbewusst vorgetragenen Konzept und einer ganzen Reihe renommierter Künstlerpersönlichkeiten in die Fachhochschule kamen.[3] Der Fachbereich Versicherungswesen fußte auf der von Unternehmen getragenen Deutschen Versicherungsakademie, deren Verbleib in Köln und deren Überführung in die Fachhochschule von den in Köln ansässigen Unternehmen in zähem Ringen mit den Münchener Konkurrenten durchgesetzt werden konnte und so Kölns herausragende Stellung als Versicherungsstandort sichern half. Wie ausgeprägt das Alleinstellungsmerkmal des Fachbereichs Sprachen mit seinen Zweigen Dolmetschen und Übersetzen war, lässt sich daran erkennen, dass diese Qualifizierungen lange Zeit ansonsten nur an Universitäten angeboten wurden (Mainz, Saarbrücken, Heidelberg). Der Fachbereich Photoingenieurwesen ging auf die ursprünglich in Dresden ansässige Deutsche Photohändlerschule zurück, die 1954 in Köln mit der Staatlichen Höheren Fachschule für Photographie eine Nachfolgeeinrichtung fand, nachdem hier wenige Jahre zuvor die Photokina gestartet worden war. Mit der Einbindung in die Fachhochschule wurde die Stellung Kölns als Stadt der Photographie und des Photographierens gestärkt. Schließlich war auch der Fachbereich Landmaschinentechnik eine deutschlandweit einzigartige Einrichtung, deren Vorgängerin im Westen wieder aufgebaut worden war.[4] Für die langsam zusammenwachsende Hochschule war die profilprägende Kraft dieser Singularitäten sehr hoch. Diese Erkenntnis hat zu der strategischen Entscheidung geführt, sich auch in Zukunft um die Einwerbung und Ansiedlung solcher vom Standardzuschnitt der Fachhochschulen abweichende Einrichtungen zu bemühen. Auch die besondere Größe der Fachhochschule Köln wurde nie als Last gesehen, sondern die Zahl der Studienplätze wurde, wann immer dies möglich war, weiter erhöht, und eine mitunter starke Überbuchung wurde in Kauf genommen, sodass die Fachhochschule Köln immer mit großem Abstand die größte und fachlich umfangreichste Hochschule dieser Art im gesamten deutschsprachigen Bereich geblieben ist. Denn der hochschulpolitische Einfluss einer Hochschule ist in Deutschland immer auch größenabhängig, und das Problem der knappen Grundfinanzierung, gerade von Fachhochschulen, kann wenigstens teilweise durch ein größeres Finanzvolumen gemindert werden.
Die regionale Abteilungsstruktur
Eine weitere strategische Grundsatzentscheidung betraf die Angliederung von räumlich getrennten Abteilungen, die aus den guten Erfahrungen mit der Übernahme der Abteilung Gummersbach 1983 resultierte. Die frühere Ingenieurschule war im Zuge des Aufbaus von Gesamthochschulen Teil der Gesamthochschule Siegen geworden. Doch die bestehenden Gesamthochschulen betrachteten ihre Abteilungen, soweit sie ausschließlich Fachhochschulstudiengänge anboten, immer mehr als ungeliebte Kinder. Noch bedeutsamer war die sich in den achtziger Jahren verstärkende wirtschaftliche und kulturelle Hinwendung des Oberbergischen Raums zum Kölner Raum, wesentlich forciert durch den Weiterbau der A 4 von Köln bis Olpe.[5] Beide Entwicklungen fielen zeitlich zusammen. Auf diese wirtschaftliche und gesellschaftliche Umorientierung in der Region wollte die Fachhochschule Köln reagieren, was der Politik und den Unternehmen sehr recht war. Die Entscheidung für Köln war verbunden mit der Genehmigung das Studienfach Informatik anzubieten, das zu dieser Zeit für Fachhochschulen eigentlich nicht vorgesehen war. So konnte die Attraktivität des oberbergischen Hochschulstandorts erhöht werden, und zugleich erhielt die Fachhochschule Köln ein weiteres fachliches Alleinstellungsmerkmal, was schließlich auch zu neuen Unternehmensansiedlungen im IT-Bereich beitrug.
Dieser Erfolg führte in der Fachhochschule Köln zu der strategischen Überlegung, ob man nicht durch weitere Abteilungen das Konzept einer durch Verzweigung für die Region relevanten und unverzichtbaren Hochschule verfolgen sollte. Eine angedachte Etablierung einer Abteilung südlich von Köln war durch die Gründung der eigenständigen Fachhochschule Rhein-Sieg obsolet geworden.[6] Der Gedanke einer Ausweitung der Kölner Hochschule durch Abteilungen blieb jedoch virulent, sodass die Chance zur Ansiedlung einer naturwissenschaftlichen Fakultät in Leverkusen (seit 2009) ebenso schnell aufgegriffen wurde wie der Gedanke eines Campus Rhein-Erft mit einer Fakultät für Raumentwicklung und Infrastruktursysteme (seit 2019). Die in den Abteilungen angebotenen oder geplanten Lehr- und Forschungsschwerpunkte verdeutlichen den Grundgedanken dieser für die Fachhochschule bzw. TH Köln typischen Form von Hochschulentwicklung: die externen Campi sind inhaltlich so gestaltet, dass sie den jeweiligen regionalen Bedarfen oder dem Strukturwandel einer Region entsprechen und zugleich einen innovativen Beitrag zur fachlichen Weiterentwicklung der Hochschule leisten.
Ausweitung des Spektrums
Aber auch für den Standort Köln galt die strategische Entscheidung: Systematische Ausweitung des disziplinären Spektrums, orientiert an regionalen Erfordernissen, aber auch mit dem Ziel möglichst vollumfänglich die Fächer und Fachrichtungen in Lehre und Forschung zu bearbeiten, die sich für eine sehr große Fachhochschule eignen, und mit dem Mut auch gänzlich Neues zu konzipieren. Auf diese Weise entstand die erste akademische Ausbildung für Restaurierung von Kunst und Kulturgut (ab 1986) in Deutschland, mit weitreichenden berufspolitischen Auswirkungen. Das Konzept, in enger Absprache mit den Landschaftsverbänden und dem Landeskonservator entwickelt, entsprach den Erfordernissen des an restaurierungsbedürftigen Kunstschätzen reichen Rheinlands, die Absolventinnen und Absolventen waren aber wegen ihrer einmaligen Ausbildung sehr bald europaweit gefragt. Eine neue Designausbildung entstand (ab 1991) zu einem Zeitpunkt, an dem im Landtag NRW darüber diskutiert wurde, ob das Angebot an Studienplätzen für Design nicht drastisch zu senken sei, da der Bedarf an akademisch qualifizierten Designerinnen und Designern rückläufig sei. Die Fachhochschule Köln reagierte darauf mit dem Gegenangebot einer neuen Design-Ausbildung, die sich durch neue Methoden und eine starke Nachfrageorientierung auszeichnet. Der neue Fachbereich, der sich später in Köln International School of Design (KISD) umbenannte, erfüllte diese Erwartung und sein Wirken in internationaler Ausbildung, Forschung und Gestaltung von Wettbewerben hatte und hat großen Einfluss auf Köln als Design-Zentrum.
Mehr dem räumlichen Zufall geschuldet, jedoch von erheblicher konzeptioneller Auswirkung war die Eingliederung der Fachhochschule für das Bibliotheks- und Dokumentationswesen (FHBD) in die Fachhochschule Köln (1995). Die damit verbundene Ausweitung des fachlichen Spektrums im geisteswissenschaftlichen Bereich lag durchaus im Interesse der Hochschulleitung, die hier einen Nachholbedarf sah, und überdies bekam die Fachhochschule Köln dadurch eine selten – in Deutschland nur an drei weiteren Standorten (Hamburg, Berlin, Leipzig) – vertretene Fachrichtung. Mit dieser Eingliederung waren Auflagen zur Veränderung des Lehrangebots verbunden, die, wie sich später herausstellte, die Profilschärfung der Hochschule sehr positiv beeinflussten.[7]
Besonders deutlich wird die Verbindung von regionaler Orientierung und fachlicher Innovation an der Gründung des Instituts für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr und der Ausbildung zu Rettungsingenieurinnen und –ingenieuren (2002). Den Anstoß hierzu gab die Ärztliche Leitung des Rettungsdienstes der Stadt Köln, und der Studiengang wurde in enger Absprache mit dem dortigen Institut für Notfallmedizin entwickelt; d. h. er war strikt nachfrageorientiert. Dies ist auch so geblieben, denn zum ursprünglichen Bedarf an Fachleuten für den Rettungsdienst kam die Suche nach Brandschutzspezialisten hinzu. Später geriet das immer breiter werdende Spektrum von nicht-polizeilicher Gefahrenabwehr und Bevölkerungsschutz in den Blick – den Erfordernissen einer Metropolregion und einer sich verstärkenden Risikolage entsprechend.
Ein Novum bildete auch die allmähliche Annäherung mancher Fachhochschulen an die Juristenausbildung. Das Fach Recht hatte es natürlich immer schon in zahlreichen Curricula gegeben, aber die Durchsetzung einer Qualifizierung mit dem Diplomabschluss Wirtschaftsjurist oder Wirtschaftsjuristin glich geradezu einer Mutprobe, denn der Widerstand von universitärer Seite war beträchtlich. Dennoch wurde dieser Abschluss ab 2004 auch an der Fachhochschule Köln angeboten, obgleich sich der Juristische Fakultätentag drastisch dagegen aussprach und ein Verbot forderte. Die Einführung dieses Abschlusses war auch von weitreichender wissenschaftspolitischer Bedeutung, da hierdurch eine Diskussion angestoßen wurde, welche universitären Angebote auch oder sogar vorrangig an Fachhochschulen installiert werden sollten. Einen regelrechten Durchbruch bedeutete für den juristischen Sektor der Fachhochschule Köln die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen anstelle des Diploms. Sie eröffnete der Hochschule die Möglichkeit der Vergabe des Bachelors und Masters of Law (LL.B. und LL.M.), zwei international hoch angesehene juristische Abschlüsse. Dadurch wuchs das Interesse für weitere juristische Qualifizierungen, etwa für einen LL.M. im Medienrecht, im Versicherungsrecht oder im Steuerrecht. Folgerichtig heißt die zuständige Fakultät heute ‚Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften‘.
Von erheblicher hochschulpolitischer Bedeutung war ein Bündnis, das die Fachhochschule Köln 2002 mit der Internationalen Filmschule Köln (ifs) einging. Es handelte sich um eine Sonderform des in den neunziger Jahren aufkommenden Franchising von Studiengängen: Die vom Land NRW und der Film- und Medienstiftung NRW getragene Filmschule, die keine Hochschule war (und ist) und deshalb keine akademischen Abschlüsse verleihen darf, wurde von der Fachhochschule Köln beauftragt Studiengänge im Film- und Medienbereich durchzuführen, deren Gleichwertigkeit mit den eigenen Studiengängen die Hochschule gewährleistet. Dazu war und ist die Hochschule verpflichtet Professorinnen und Professoren zu berufen, die auf dem Wege der Abordnung an der ifs lehren. Die Fachhochschule Köln verleiht die Abschlüsse. Dieses komplexe Regelwerk eröffnete die Möglichkeit akademischer Abschlüsse für die Studierenden der ifs, was die Wettbewerbsfähigkeit der Filmschule und damit das Qualifizierungsangebot im Bereich von Film- und Medienproduktion in Köln deutlich erhöhte. Die Fachhochschule Köln konnte durch dieses Bündnis an der Realisierung einer für sie neuen Fachrichtung mitwirken und hatte eine neue Spezies von Professorinnen und Professoren in ihrem Lehrkörper. Dies wurde zur Grundlage für Kooperationen bis hin zu einem gemeinsamen Studiengang beider Einrichtungen. Inzwischen ist diese Möglichkeit einer kapazitätsneutralen Erweiterung des Portfolios einer Hochschule weit verbreitet. Für Köln bedeutete diese Kooperation eine Stärkung als Stadt der Medien und der Medienberufe.
Einschnitte
Hochschulen verändern sich, wenn es nach ihrem Willen geht, in der Regel nicht sprunghaft. Bei den 1971 gegründeten Fachhochschulen war allerdings von Anfang an ein starker Veränderungsbedarf zu erkennen, da sie sich keineswegs in einer endgültigen und zukunftsfähigen Verfassung sahen.[8] Schritt für Schritt wuchsen die Fachhochschulen in die durch den Hochschulstatus bedingten inneren Strukturen hinein, häufig in zähem Ringen mit den staatliche Trägern und den Gesetzgebern. Der Einrichtung von „richtigen“ Professuren folgte das Recht auf Selbstverwaltung, die Angleichung der gesetzlichen Regelungen für die verschiedenen Hochschularten, die Ausgestaltung eines eigenen Forschungsauftrags, die Einführung Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und später deren Beteiligung an Forschung und Lehre, die Ausweitung des Fächerspektrums. Dass dieser Weg der graduellen Veränderungen auch heute noch nicht abgeschlossen ist, zeigt z. B. die Forderung nach einem eigenen Promotionsrecht, die aktuell der schrittweisen Erfüllung entgegengeht.
Unabhängig hiervon ist die bisherige Geschichte der Fachhochschulen von einigen drastischen Einschnitten gekennzeichnet, die auf externe politische Entscheidungen zurückgingen. Die drei für die Fachhochschule Köln folgenreichsten sind klar zu benennen: Eine Funktionalreform im nordrhein-westfälischen Hochschulbereich in den späten neunziger Jahren, der sogenannte Bologna-Prozess (um 2000) und die Verselbständigung der Hochschulen in NRW 2007.
Im Rahmen der Funktionalreform[9] waren die Empfehlungen eines von der Landesregierung eingesetzten Expertenrats für die Fachhochschule Köln sehr folgenreich.[10] Die Kommission setzte sich u. a. kritisch mit der Fachbereichsstruktur der Hochschule auseinander und beurteilte sie als ineffizient. Empfohlen wurde eine Reduzierung von 22 auf 10 Fachbereiche durch Zusammenlegungen.[11] Diese Empfehlung, die einer Verpflichtung gleichkam, bedeutete faktisch einen radikalen Bruch mit einem nicht nur organisatorischen Grundprinzip der Hochschule: der Gleichsetzung von Fachbereichen mit den schulischen Vorgängereinrichtungen. Ohne diese Übereinstimmung hätte die Fachhochschule in der Gründungszeit wegen so zahlreicher und durchaus disparater Fächer und Fachrichtungen wohl kaum eine innere Stabilität bekommen, denn die Fachbereiche bewahrten das jeweilige „Erbe“ der Vorgängereinrichtungen. Doch diese Struktur wirkte auf Dauer retardierend, sie leistete einer Einkapselung Vorschub, sie war historisch bedingt, aber nicht mehr sachgerecht. Der Hochschulleitung waren diese negativen Effekte immer bewusster geworden, und ihr kam die Empfehlung des Expertenrats sehr gelegen. Aber der Protest seitens der Fachbereiche war enorm, viele der noch aus den Vorgängereinrichtungen stammenden Hochschulangehörigen hatten massive Verlustängste. Nach zähen Verhandlungen mit der Kommission und innerhalb der Hochschule konnten schließlich 11 Fakultäten gebildet werden. Um die Umstellung zu erleichtern, wurde die Bildung von Instituten innerhalb der Fakultäten initiiert. Diese verloren im Laufe der Jahre weitgehend ihre Übereinstimmung mit ehemaligen Fachbereichen und wurden zu einem für die Fachhochschule Köln typischen Organisationsmerkmal. Aus heutiger Sicht begann damit für die Hochschule eine neue Phase des Hineinwachsens in hochschulgemäße Strukturen. Dabei muss man bedenken, dass der Organisationstyp ‚Institut‘ ursprünglich für Fachhochschulen gar nicht vorgesehen war. Die umfangreiche Aufstellung von Instituten erfolgte in der Fachhochschule Köln Anfang 2001, nur wenige Monate nach einer entsprechenden Änderung des Hochschulgesetzes. Da diese neue Option vom Gesetzgeber mit dem „erweiterten Forschungsauftrag der Fachhochschulen“[12] begründet war, brachte die organisatorische Neugliederung einen erheblichen Aufschwung der Forschung an unserer Hochschule mit sich.[13]
Die Fachhochschule Köln betrachtet sich zu Recht als eine Gewinnerin der Bologna-Reform, vornehmlich durch die Einführung der gestuften Studiengänge (ab 2002). Für alle Fachhochschulen brachte diese Reform eine gravierende Erleichterung mit sich: die Gleichstellung der Abschlüsse beider großer Hochschularten. Deshalb fiel den Fachhochschulen der Abschied vom Diplom wesentlich leichter als den Universitäten. Mindestens ebenso bedeutsam war jedoch die Öffnung des Master-Bereichs für Fachhochschulen. Hier herrschte zunächst große Unklarheit und Unsicherheit. Der prinzipiellen Erlaubnis zur Einrichtung von Master-Studiengängen stand die hierfür kaum ausreichende Lehrkapazität entgegen, denn eine Ergänzung aller Bachelor-Studiengänge durch nachgelagerte Master-Studiengänge hätte eine finanziell nicht darstellbare Ausweitung der Regelstudienzeit an Fachhochschulen von vier auf fünf Jahre bedeutet. Deshalb tendierte das Ministerium in NRW anfangs dazu, die Zahl der Master-Studiengänge an Fachhochschulen auf eine eher symbolische Zahl zu begrenzen; für die Fachhochschule Köln war von fünf oder sechs solcher Studiengänge die Rede. Hier wirkte jedoch die normative Kraft des Faktischen. Unter größten Anstrengungen, z. B. mithilfe von ehrenamtlichen Lehraufträgen, wurde eine feste hochschulweite Etablierung des Master-Bereichs ermöglicht, sodass die Gefahr eines Abstiegs zu einer bloßen Bachelor-Hochschule gebannt war. Allen Studierenden konnte ein entsprechendes Angebot gemacht werden.
Für alle Fakultäten und Institute war klar, dass sich durch die Master-Studiengänge für die Absolventinnen und Absolventen, aber auch für die Hochschule selbst neue Möglichkeiten ergaben. Der Master-Abschluss brachte den Weg in den höheren Dienst und führte zu größeren Aufstiegschancen in der Wirtschaft, und Master-Studiengänge forcierten die Forschung an der Hochschule. Deshalb ignorierte man in Köln auch die Empfehlung der Kultusministerkonferenz, in Fachhochschulen auf forschungsbezogene Master-Studiengänge zu verzichten, und setzte pointiert auf diese Variante.[14] Besondere Beachtung erfuhren diejenigen Fachrichtungen, in denen der Masterabschluss faktisch eine berufsqualifizierende Funktion hat. Dies galt z. B. für den Bereich Restaurierung von Kunst und Kulturgut, in dem ein lediglich dreijähriges Bachelor-Studium keinesfalls für eine anspruchsvolle wissenschaftlich fundierte berufliche Tätigkeit ausreicht, oder für das Dolmetsch-Studium, da im öffentlichen Dienst europaweit fast nur Stellen des höheren Dienstes für Dolmetscherinnen und Dolmetscher existieren, sodass sich durch das Master-Studium der Zugang zu einem großen internationalen Berufsfeld öffnete. Besonders bemerkenswert waren die Effekte der Bologna-Reform – wie erwähnt – für die rechtswissenschaftlichen Studiengänge. Für das Angebot an Studiengängen mit dem Abschluss LL.M. eröffnete sich unerwartet eine weitere Perspektive: Der Kölner Anwaltverein sah die Möglichkeit für seine Mitglieder Module von juristischen Masterstudiengängen der Hochschule für die Qualifizierung von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen zur Fachanwaltschaft im Urheber- und Medienrecht sowie im Informationstechnologierecht zu nutzen. Deshalb wurde 2008 eine Kooperation vereinbart, die 2015 auf die Fachanwaltschaft Gewerblicher Rechtsschutz ausgedehnt wurde. Dieser Einstieg einer Fachhochschule in die Fachanwaltsqualifizierung hat einige Nachahmung gefunden und den Wissenschaftsrat nach einer Analyse der Situation in Köln zu einer positiven Einschätzung dieser Entwicklung bewogen.[15]
Der dritte große Einschnitt, die Verselbständigung aller Hochschulen in NRW zu vom Lande getragenen, rechtsfähigen Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 HG-NRW von 2007), war von einer Fülle von Umstellungen und Neuerungen begleitet (Einführung von Hochschulräten, Übertragung der Dienstherreneigenschaft, neues Hochschulleitungs- und -steuerungsmodell, Minimierung staatlicher Vorgaben), die sich vor allem auf das Selbstverständnis von Hochschulen auswirkten. Dabei spielte die Größe der Hochschule eine gewisse Rolle. Die Fachhochschule Köln als große und sehr breit aufgestellte Hochschule konnte den Autonomiezuwachs nicht nur zur Stärkung ihrer Forschung nutzen, sondern auch zur Vermeidung oder wenigstens Abmilderung von Problemen, die das Hochschulfreiheitsgesetz 2007 auch bescherte (v. a. die Umstellung der Hochschulfinanzierung). Der so entstandene Freiraum führte zusammen mit der bereits eingeführten staatsfernen Akkreditierung von Studiengängen oder den ebenfalls eingeführten Globalhaushalten zu einem Grad an Selbständigkeit, der für Fachhochschulen, die lange unter staatlichem Kuratel gestanden hatten, die Chance einer echten Profilbildung bietet. Diese rechtliche Situation hat auch heute noch Bestand.[16]
Sie hat dazu beigetragen, dass die Zeit der Weichenstellungen mitnichten vorbei ist. Mit der Entscheidung, sich ab 1. September 2015 als University of Technology, Arts, Sciences – TH Köln zu bezeichnen, war offenkundig nicht nur eine Umbenennung verbunden. Der neue Name sollte sichtbar machen, was sich seit den Anfängen der Hochschule über die Jahre hin immer deutlicher herausgestellt hat:
Die Fachhochschule Köln hat sich zu einem neuen Typ von Hochschule entwickelt, um der Situation vor Ort und den aktuellen Erfordernissen und Herausforderungen ihrer Zeit Rechnung zu tragen.[17] Aber die daraus resultierenden Veränderungen zu beschreiben bedeutet ein neues Kapitel in der Geschichte dieser Hochschule aufzuschlagen.
[1] Das Fachhochschulerrichtungsgesetz vom Juni 1971 legte fest: „Alle Gründungsmaßnahmen erfolgen mit dem Ziel der späteren Einbeziehung der Fachhochschule in integrierte Gesamthochschulen.“ (FHEG-NRW § 5 Abs. 1). Die Personalpläne für die Kölner Hochschulen trugen dem bereits ab 1971 Rechnung: Die Universität erhielt zusätzliche Stellen, um auch für die Fachhochschule Studienberatung zu leisten, und die Fachhochschule wurde beauftragt ein für beide Hochschulen zuständiges Hochschuldidaktisches Zentrum zu installieren. Noch 1987 wurde diese hochschuldidaktische Zuständigkeit der Fachhochschule für die Universität zu Köln gesetzlich festgeschrieben (WissHG-NRW § 35). Wären die Fusionspläne realisiert worden, hätte eine Gesamthochschule in Köln heute etwa 80.000 Studierende.
[2] Vgl. Holuscha, Elisabeth: Das Prinzip Fachhochschule – Erfolg oder Scheitern?. Eine Fallstudie am Beispiel NRW [Diss. Marburg], Münster 2013, S. 134 – 148. Im Übrigen ist die aktuelle gesetzliche Aufgabenzuweisung an die Fachhochschulen (vgl. HG-NRW § 3 Abs. 1) in der Substanz und weitgehend auch in der Wortwahl immer noch identisch mit der früheren Aufgabenbestimmung für Ingenieurschulen (vgl. KMK-Vereinbarung für das Ingenieurschulwesen vom 18.12.1964, Art. I Satz 2).
[3] Zur Schließung des Bereichs ‚Freie Kunst‘ der Werkschulen 1993 vgl. Euler-Schmidt, Michael[Hrsg.]: Endstation Ubierring. Das Aus der Freien Kunst an der Fachhochschule Köln. Köln 2015.
[4] Schott, Wilhelm: 70 Jahre Landmaschinentechnik in Köln 1949-2019. In: Frerichs, Ludger [Hrsg.]: Jahrbuch Agrartechnik 2020. Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge der TU Braunschweig. Braunschweig 2021, S. 1 – 17.
[5] Vgl. Padtberg, Beate-Carola: Die Wirtschaftsgeschichte des Oberbergischen Kreises. Köln 2000, S. 339f.
[6] Die Landesregierung NRW hatte zu Beginn der neunziger Jahre einen Bedarf an Studienplätzen u. a. südlich von Köln ausgemacht. Dazu Metzner, Joachim: Auf dem Weg zur Wissenschaftsregion? In: Passage für Kunst und Politik, 2, H. 1, 1992, S. 94 – 96. Die Gründung einer eigenständigen Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg erfolgte 1995 auf der Basis der Vereinbarung über die Ausgleichsmaßnahmen für die Region Bonn (1994) in Folge des Regierungsumzugs nach Berlin, und deshalb mit starker finanzieller Beteiligung des Bundes.
[7] Vgl. den Histrhen Blog-Beitrag von Achim Oßwald. [Hinweis der Redaktion: Der Artikel wird im November 2021 veröffentlicht]
[8] Zum Veränderungsprozess in der frühen Phase der Fachhochschulen vgl. Metzner, Joachim: Lehre und Forschung für die Praxis. Fachhochschulen in NRW. In: Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW [Hrsg.], Gaudeamus. Das Hochschulland wird 50. Düsseldorf 1996, S. 60 – 77. Ders., Die Gründerzeit ist schon Geschichte. In: Bode, Christian u. a. [Hrsg.]: Fachhochschulen in Deutschland. München 1997, S. 14 – 43.
[9] Ein umfassender Überblick über diese Reform findet sich bei: Kischkel, Roland, Stich, Andreas Böhm, Bettina: Zehn Jahre Deregulierung – Nordrhein-westfälische Hochschulen auf dem Weg zu mehr Autonomie? In: Beiträge zur Hochschulforschung 24(3) 2002, S. 88 – 105.
[10] Expertenrat im Rahmen des Qualitätspakts [Hrsg.]: Abschlussbericht. Münster 2001, S. 595 – 614.
[11] Expertenrat, a.a.O., S. 608; 613.
[12] Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung [Hrsg.]: Hochschulgesetz 2000, Begründungsteil. Düsseldorf 2000, S. 159.
[13] Lt. Forschungsbericht der Hochschule von 2005 hatte sich das Drittmittelaufkommen in wenigen Jahren vervielfacht und der Anteil forschender Professorinnen und Professor war signifikant angestiegen. Das führte dazu, dass die Fachhochschule Köln 2004 als erste Fachhochschule in den universitären Verbund European University Association (EUA) aufgenommen wurde. FH Köln [Hrsg.]: Forschungsbericht 2005, S. 7.
[14] Das Prinzip wird konsequent weiterverfolgt: Im aktuellen Hochschulentwicklungsplan 2030 ist festgelegt, dass die Master-Studiengänge der TH Köln „in besonderem Maße forschungsbasiert ausgerichtet“ sind (S. 11).
[15] Wissenschaftsrat [Hrsg.], Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland. Hamburg 2012, S. 23.
[16] Das Hochschulzukunftsgesetz von 2014 kehrte ein Stück weit wieder zur staatlichen Steuerung zurück, beließ aber die veränderte Rechtsform. Das Hochschulgesetz von 2019 wiederum geht noch einen Schritt über das Hochschulfreiheitsgesetz von 2007 hinaus, indem es die Rechte der Studierenden stärkt und die Kompetenzen des Ministeriums auf die Rechtsaufsicht beschränkt.
[17] Die Bekanntgabe der Umbenennung seitens der Hochschule unterstreicht diese Entwicklung: „Die klassische Vorstellung von einer Fachhochschule trifft seit längerem auf unsere Hochschule nicht mehr zu.“
Zitierweise:
Metzner, Joachim: Zeit der Weichenstellungen. Die frühen Jahre der Fachhochschule Köln, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 28.10.2021, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2021/10/zeit-der-weichenstellungen-metzner