AGRIPPINA forscht
AGRIPPINA – Forum für kölnische Stadtgeschichtsforschung – so lautet der programmatische Titel unserer noch jungen Initiative. Wir, das sind aktuell Promovierende und Masterstudierende der Universität zu Köln, die sich mit den unterschiedlichsten Themen der kölnischen Stadtgeschichte beschäftigen. Bereits im Sommer 2018 gab die Auftaktveranstaltung zur Gründung der Forschungsstelle zur Geschichte Kölns den Impuls, sich auszutauschen und zu vernetzen. Damals konnten wir einige unserer Projekte vorstellen und mussten feststellen, dass sich eine ganz grundsätzliche Fragestellung wiederholte: Gibt es etwas besonders Kölnisches in unserer Forschung? Im Frühjahr 2019 entschlossen wir uns dazu, offiziell eine Gruppe zur Vernetzung zwischen Studierenden und Promovierenden zu gründen.
Die Namenswahl „Agrippina“ bot dabei bereits die erste Grundlage zu regen Diskussionen über die kölnische Stadtgeschichte[1]. Besonders wichtig war uns neben der thematischen Fokussierung vor allem der offene Austausch – so fiel die Wahl auf den Begriff „Forum“. Als ein solches bietet AGRIPPINA nicht nur die Möglichkeit, sich abseits der universitären oder eigenen Forschung mit Köln und der Stadtgeschichte im Allgemeinen zu beschäftigen, sondern auch über Herausforderungen der eigenen Projekte und der wissenschaftlichen Arbeit an sich ins Gespräch zu kommen. Es freut uns sehr, dass wir bereits einige neue Mitglieder gewinnen konnten, und wir sind stets daran interessiert, unsere Gruppe zu vergrößern. Wichtig ist uns von Beginn an nicht nur die Vernetzung mit der Kölner Universität, sondern auch mit weiteren Forschungs- und kulturellen Einrichtungen, allen voran Museen und Archiven. Aus diesem Grunde zählen neben regelmäßigen – in Corona-Zeiten digitalen – Treffen auch Besuche von Ausstellungen, sowie Vernetzungs- und Diskussionsveranstaltungen zu unseren Aktivitäten. Außerdem veranstalten wir eigene Workshops, bei denen unsere Mitglieder ihre Projekte ausführlicher vorstellen und diskutieren können.
Der Kern unserer Gruppenaktivitäten sind aber seit Beginn die regelmäßigen Treffen, bei denen wir auf Grundlage wissenschaftlicher Texte über stadtgeschichtliche Fragen diskutieren. Dabei profitieren wir alle davon, dass jede bzw. jeder von uns einen eigenen Blick auf die Kölner Stadtgeschichte mitbringt: Unsere Mitglieder behandeln Themen vom 10. bis zum 21. Jahrhundert, und betrachten unter anderem Aspekte der Kölner Sammlungs-, Kunst-, Architektur-, Rezeptions- und Gesellschaftsgeschichte. Gerade die Vielfalt der Themen und Ansätze macht unseren Austausch fruchtbar und regt immer wieder dazu an, Stadtgeschichte insgesamt und die Geschichte Kölns im Speziellen aus neuen Perspektiven zu betrachten.
In diesen Treffen haben wir uns mit besonders großem Vergnügen einer ganzen Reihe von stadtgeschichtlichen Forschungstexten gestellt, die wir aus unseren unterschiedlichen projektspezifischen Perspektiven angeregt diskutiert haben. Dabei sind uns die Gemeinsamkeiten und Unterschiede unserer Blickwinkel immer wieder in produktiver Weise klar geworden – denn wir alle haben mit unterschiedlichen Argumenten und individuellen Fallbeispielen Stellung zu den Textpassagen bezogen, die gerade auf dem Tisch lagen – seien es nun kulturgeschichtliche, regionalgeschichtliche oder soziologische Deutungsangebote rund um das Thema Stadt.
Zu einer übergreifenden Einsicht sind wir dabei immer wieder gekommen: Die beiden zentralen thematischen Fluchtpunkte unserer Diskussionen – die Stadt Köln in ihrer historischen Entwicklung, aber eben auch „Stadt“ als allgemeines historisches Phänomen – erschienen uns häufig am Ende unseres Treffens rätselhafter, widersprüchlicher und fraglicher als zu Beginn. Eine Reihe von vermeintlich basalen Fragen hat sich, so können wir nun vorerst bilanzieren, zu einer Art „rotem Faden“ unserer gemeinsamen Forschungsinteressen herauskristallisiert. Wir möchten diese Fragen hier zusammenstellen und zur weiteren Diskussion einladen:
Besteht eine Stadt primär und wesentlich in räumlicher Verdichtung – und benötigt man dafür ein spezifisches Raumkonzept? Hängt das „Zustandekommen“ einer Stadt vom Verständnis und der kollektiven Identität ihrer BewohnerInnen ab – oder braucht es eine verbriefte Rechtskategorie Stadt zur Definition und historischen Annahme, dass es sich auch tatsächlich um eine Stadt handelt? Oder sind letztlich doch architektonische Merkmale bestimmend? Lässt sich Stadt in diesem Sinne mithilfe der Kategorie der „Urbanität“ fassen – oder doch eher ganz im Gegenteil davon abgrenzen? Kann Urbanität als ein graduelles Phänomen verstanden werden, und bietet eine solche Betrachtung neue Einsichten bezüglich dessen, was auch alltäglich als Stadt bezeichnet wird? Wie lässt sich Stadt überhaupt sinnvoll vom (Um-)Land trennen? Zusammengefasst beschäftigen wir uns mit der ganz grundlegenden Frage, was eine Stadt überhaupt ist, wie sie definiert werden kann und wodurch sie sich von anderen Formen menschlichen Zusammenlebens unterscheiden lässt.
Aber auch bezogen auf eine spezifische Stadt, wie in unserem Falle eben Köln, stoßen wir immer wieder auf Fragen: Was macht eigentlich den Wesenskern einer Stadt aus – und bleibt dieser als ideeller Anker im Verlauf der historischen Entwicklung konstant? Konkret gefragt: Ist Köln seit der Gründung in der Antike im Früh-, Hoch- und Spätmittelalter, in der Frühen Neuzeit und in der Moderne stets im gleichen Maße „kölnisch“? Wie können wir als ForscherInnen vermeiden, bei der Analyse historischer Städte ein modernes oder aktuelles, alltäglich-lebensweltliches Verständnis von Städten in die Vergangenheit zu projizieren? Eine letzte offene Leitfrage soll diese Aufzählung abschließen: Kann man zu einer Stadt an sich (oder zu „Stadt“ überhaupt?) eigentlich ohne Weiteres forschen oder untersucht man nicht immer das Auftreten von historischen Phänomenen, die übergeordneten politischen, sozialen oder kulturellen Kontexten entstammen, in einer Stadt?
Diese problemorientierte Aufzählung versammelt einige der Fragen, die zu unseren „Dauerbrennern“ in der Diskussion zählen. Wir haben große Lust, gemeinsam und auch im Austausch mit anderen diese Fragen immer wieder von neuen Ausgangspunkten und Deutungsangeboten her zu reflektieren. Deshalb freuen wir uns über jede Art von Austausch, regional wie überregional. Neben neuen Blickwinkeln auf unsere konkreten Forschungsthemen treffen wir dabei auch immer wieder auf neue Fragen zu einem der zentralen Phänomene unserer Alltagswelt: Dem Leben in einer Stadt mit einer langen und komplexen Entwicklungsgeschichte – Colonia Agrippina. Wer mitmachen möchte, ist herzlich willkommen!
für AGRIPPINA geschrieben von Simon Grigo, Friederike Rupp und Sebastian Schlinkheider
Homepage: http://agrippina.koeln
Kontakt: agrippina-stadtgeschichte@uni-koeln.de
[1] Eine Erläuterung dazu findet sich auf unserer Homepage.
Zitierweise:
Grigo, Simon/Rupp, Friederike/Schlinkheider, Sebastian: “AGRIPPINA forscht – Eine Stadt, viele Fragen!”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen, 05.11.2020, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2020/11/agrippina-forscht/