Kartierung des Erinnerns. Formung von Räumen und Gemeinschaften in spätmittelalterlichen Memorialquellen
Der enormen Bandbreite spätmittelalterlicher Memorialquellen steht vor allem ihre nur wenig systematische Behandlung durch die Wissenschaft entgegen. Der Umstand, dass diese Quellen oft in unscharf voneinander abgegrenzte Termini wie Jahrzeitbuch, Obituarium, Nekrolog, Annuarium usw. gezwängt werden, trägt zur unübersichtlichen Lage vor allem im deutschen Sprachraum bei. Nichtsdestoweniger werden die häufig nur unzureichend edierten und aufbereiteten Quellen kontinuierlich aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Perspektiven befragt. Dies führt einerseits die große Anschlussfähigkeit des Quellenclusters für die diversen Fragestellungen beispielsweise der Geschichts-, Material- oder Sprachwissenschaft vor Augen. Andererseits wird hierdurch vor allem die unbedingte Notwendigkeit einer übergreifenden Betrachtung deutlich, die nicht zuletzt Anstoß für eine kohärentere Erforschung des Materials geben soll.
Räume wurden und werden durch kollektive Erinnerung geformt. Beschäftigt man sich mit diesem Phänomen, so stellt sich umgekehrt die Frage nach den Menschen, die sie beeinflussten und durch sie beeinflusst wurden. Zwangsläufig geraten damit die quellenmäßigen Kulminationspunkte dieser Erinnerung und ihre Genese in den Blick. Entsprechend soll in der geplanten Tagung, die vom 23. bis 25. Februar 2023 an der Johannes Gutenberg Universität Mainz stattfindet, der spezielle Fokus auf die spätmittelalterlichen Memorialquellen gerichtet werden, wobei zwei Leitfragen die unterschiedlichen Ansätze zusammenführen sollen:
1. Auf welche Weise wurden Räume durch die besonderen Konzipierungen der Memorialquellen erschlossen, geformt und durchdrungen und welche Akteure – Institutionen oder Personen –, die mittels dieser sozialen Praxis Menschen und Räume aneinanderbanden, lassen sich als Initiatoren dieser identitätsstiftenden Prozesse ausmachen?
2. Welche Rolle spielten im Folgenden bestimmte Prozesse sowie die Materialität der Quellen und inwiefern wirkten sie im dynamischen Fortleben von Gemeinschaften in ihrem Raum nach oder wurden gar als Pole der Erinnerung eigens herangezogen?
Der gemeinsame Zugriff im Rahmen der geplanten Tagung – unter anderem anhand vieler Beispiele entlang des Rheins, etwa aus Straßburg oder Mainz – soll verschiedene Herangehensweisen an spätmittelalterliche Memorialquellen zusammenführen, somit eine vertiefte Annäherung an diese Quellengattung unter dem Aspekt der Formung von Räumen und Menschen ermöglichen und letztlich einen Eindruck vom ‚mental mapping‘ (Angelika Hartmann) des spätmittelalterlichen Menschen entstehen lassen.
Tagungsleitung: Prof. Dr. Nina Gallion (JGU Mainz), Tobias P. Jansen (Univ. Bonn), Dr. Heidrun Ochs (JGU Mainz).
Um Anmeldung zur Tagung bis zum 10.02.2023 wird gebeten. Weitere Informationen, das Programm und Hinweise zur Anmeldung finden Sie hier.