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Die Adenauers und die Universität zu Köln

In der anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Universität erschienenen Veröffentlichung „Die Adenauers und die Universität zu Köln“ formuliert die Historikerin und wissenschaftliche Publizistin Heidrun Edelmann den Anspruch, ein neues Licht auf die Akteure zu werfen. Damit meint sie zum einen die Universität, zum anderen die Familie Adenauer. Ihr geht es um Entwicklungen, an denen beide Akteure beteiligt waren – und ausdrücklich nicht darum, eine Geschichte nur des einen oder des anderen zu schreiben. Gleichzeitig strebt sie an, die gesamte Familie Adenauer und deren Verdienste um die Universität in den Blick zu nehmen. Dazu betont sie, dass Max Adenauer, der zweite Sohn des Kölner Oberbürgermeisters und späteren Bundeskanzlers Konrad Adenauer, eine Rolle für die Universität spielte (S. 9).  

Edelmanns Studie ist, abzüglich Einleitung und Schluss, in neun große Teile eingeteilt. Im Großen und Ganzen wird dabei eine chronologische Reihenfolge eingehalten. Kapitel 2 beschäftigt sich mit den Prozessen, die zur Gründung der Universität geführt haben. Eindrücklich und detailliert schildert die Autorin, wie der junge Oberbürgermeister Konrad Adenauer in Berlin darum warb, in Köln eine Universität aufbauen zu können – einerseits mit Briefen an Innen- und Finanzminister des Reiches, andererseits in wegweisenden Debatten im Stadtparlament. Im Hinblick auf die Zentralregierung nutzte Adenauer besonders geschickt den Umstand aus, dass sie ihm zutraute, separatistische Bestrebungen der Rheinlande in Schach zu halten. Deshalb war die Regierung in der Hauptstadt eher bereit, ihm die Gründung einer Universität zu erlauben. Edelmann schließt daraus richtigerweise, dass Adenauer „ein Gespür für den richtigen Augenblick“ (S. 367) besaß.  

Die Kapitel 3 und 4, betitelt mit den Worten „Aufbau“ bzw. „Konflikte“, nehmen ganz besonders den Einfluss Konrad Adenauers auf die Besetzung wichtiger Professuren in den Blick. Minutiös schildert die Autorin, wie der Oberbürgermeister über die Ernennung von Professoren mitbestimmte und so das Profil der Universität beeinflusste. Ausgewogen und mit großer Gründlichkeit legt sie dabei dar, inwiefern Adenauer selbst Ziele verfolgte, aber auch von anderen Akteuren in seinem Handeln beeinflusst wurde – wie zum Beispiel von Geistlichen oder Zentrumspolitikern, die ihre eigene Weltanschauung in der Lehre der Universität verankert sehen wollten. Lediglich eine Randnotiz ist dabei, welche weiteren Mitglieder der Familie Adenauer mit dem Verlauf der Zeit an der Universität studierten oder lehrten (S. 112). 

Dass mit der Gründung der neuen Universität 1919 der Betrieb keineswegs dauerhaft gesichert war, legt Edelmann sehr überzeugend in Kapitel 5 („Fundraising“) und 6 („Zuspitzungen“) dar. Darin geht es um Konrad Adenauers Einwerbungen von Mitteln – mit unterschiedlichem Erfolg. Bei Industriellen und privaten Förderern konnte er durch gute Kontakte Geld für die Universität und den notwendigen Neubau einsammeln. Auch in der Kommunalpolitik warb der Rathauschef geschickt um Zustimmung. Die Sozialdemokratie, eine wichtige Kraft im Stadtparlament, knüpfte ihre Zustimmung zum Neubau an einen gleichzeitigen Ausbau von Volksschulen für benachteiligte Gesellschaftsschichten (S. 208). Mit seinem Wunsch, aus Berlin dauerhafte Zuschüsse zu bekommen, biss er allerdings auf Granit (S. 260). In Kapitel 6 zeigen sich bereits die Vorboten des Nationalsozialismus. Wie sehr Adenauer bereits damals als Garant für den Erhalt der Universität angesehen wurde, zeigt die von Rektor Bruno Kuske fast flehend vorgetragene Bitte an den Oberbürgermeister, sich mit den Studenten zu einem Gespräch zu treffen (S. 268). Zu diesem Zeitpunkt (1932) hatten NS-Studenten bereits für heftige Unruhen an der Universität gesorgt. Adenauers Besuch sollte die Gemüter beruhigen und zeigen, dass der Rektor den Rückhalt des Oberbürgermeisters genoß. 

Unter anderem dieser Umstand zeigt, wie sehr es sich lohnt, eine wissenschaftliche Betrachtung der Universitätsgeschichte eng mit der Person Konrad Adenauers zu verknüpfen. Auch wenn nicht bestreitbar ist, dass es auch andere Kräfte gab, die Einfluss auf die Entwicklung der Bildungseinrichtung nahmen, so war das Stadtoberhaupt doch die entscheidende Figur. Die Menge der Erkenntnisse, die Edelmann bereits nach knapp 270 Seiten durch ihre Betrachtungsweise gewonnen hat, demonstriert, dass diese Herangehensweise sinnvoll ist. 

Kapitel 8 („Nachkriegszeit“) und 9 („Landesuniversität“) beschäftigen sich mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Eindrucksvoll zeigt sich hier eine eindeutige Kontinuität. Der (wenn auch nur für eine kurze Zeit) wieder als Oberbürgermeister von Köln eingesetzte Konrad Adenauer nahm erneut Einfluss auf die Universität und ihr Personal – ähnlich wie in der Zwischenkriegszeit. Auf seinen Vorschlag hin nahmen die (zu diesem Zeitpunkt noch) amerikanischen Besatzer Adenauers Personalvorschläge an (S. 290). Dass Adenauer wirklich ein bedeutungsvoller Akteur war und diese Sichtweise nicht nur einer möglicherweise übertriebenen positiven Selbstdarstellung entstammt, zeigt die Aussage von Bruno Kuske, zeitweise Dekan und Rektor der Universität. Er schrieb, deren Verhältnisse stünden weiterhin „sichtlich unter dem schädlichen Einfluß Adenauers“ (S. 300). 

Kapitel 9 nimmt dann einen anderen Adenauer in den Blick – und zwar Konrads Sohn Max. Dieser wurde 1953 Oberstadtdirektor von Köln. Die Autorin skizziert, wie Max Adenauer sich für ein Mittelstandsinstitut einsetzte (S. 339) und wie er als Mitglied des Kuratoriums den Übergang von einer städtischen zu einer Landeseinrichtung begleitete – allerdings „ohne die Entscheidungen der Fakultäten oder des Ministeriums ernsthaft beeinflussen zu können“ (S. 343), wie Edelmann selbst schreibt. Der Einfluss Max Adenauers ist daher nicht allzu hoch einzustufen. 

Der Blick auf Max Adenauer wirft die Frage auf, ob die Autorin ihrem Anspruch gerecht wird, ein neues Licht auf die Akteure zu werfen und tatsächlich „die Adenauers“ in den Blick zu nehmen. Edelmann gelingt es in ihrer Betrachtung, ein neues Licht auf die Akteure zu werfen. Dass Konrad Adenauer ein geschickter Strippenzieher und das Schreiben von Briefen ein beliebtes Mittel seiner Politik war, ist zwar nicht unbedingt neu, besteht doch sein gesamter Nachlass aus der Zeit als Bundeskanzler (Rhöndorfer Ausgabe) aus Briefen. Allerdings schafft es Edelmann durch eine detaillierte Betrachtung der Vorgänge, Konrad Adenauers Rolle so herauszuarbeiten, dass die Wechselwirkungen von Oberbürgermeister und Universität ausgeleuchtet werden. Dieses Verdienst gilt es zu würdigen, da dies in dieser Gründlichkeit in der Forschung noch nicht geschehen ist. 

Diese Stärke des Buches ist zugleich seine (wenn auch nicht allzu große) Schwäche. Denn es ist vielmehr ein Adenauer, nämlich Konrad, dessen Wechselwirkungen mit der Bildungseinrichtung untersucht werden. Andere Mitglieder der Familie spielen in der Studie eher eine untergeordnete Rolle – vermutlich auch zu Recht, da niemand mit dem Einfluss Konrad Adenauers auf die Universität mithalten konnte. Daher wäre „Konrad Adenauer und die Universität zu Köln“ als Titel wahrscheinlich passender gewesen als „Die Adenauers und die Universität zu Köln“. Dies schmälert die verdienstvollen Leistungen der Autorin allerdings kaum, hat sie es doch geschafft, die bisher noch nicht im Detail beleuchteten Wechselwirkungen zwischen Konrad Adenauer und der Kölner Universität aufzuzeigen. 

 

Edelmann, Heidrun: Die Adenauers und die Universität zu Köln, Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2019, 912 S.; ISBN 978-3-412-51524-9

 

Zitierweise:
Gertkemper, Torsten: Rezension zu “Die Adenauers und die Universität zu Köln”, in: Histrhen. Rheinische Geschichte  wissenschaftlich bloggen, 17.06.2021, http://histrhen.landesgeschichte.eu/2021/06/rezension-adenauer-universitaet-koeln-gertkemper